Rezension

Mit der Flut kommt der Tod …

Tod auf Föhr -

Tod auf Föhr
von Cornelia Härtl

Bewertet mit 5 Sternen

Kari Lürsen arbeitet bei der Polizei. Zumindest ist das ihre Standardantwort, wenn sie nach ihrem Beruf gefragt wird. In Wahrheit arbeitet sie beim BKA in der Abteilung OE (Operative Einsatz- und Ermittlungsunterstützung) und ist dort zuständig für Zielfahndung und Zeugenschutz. Da sie in ihrem letzten Einsatz als verdeckte Ermittlerin durch eigenes Verschulden aufgeflogen ist und der Einsatz deswegen ein ziemliches Desaster war, wurde sie vorerst vom Dienst suspendiert. Um all das verarbeiten zu können, zieht Kari sich in die leerstehende Kate ihres verstorbenen Großvaters auf die Nordseeinsel Föhr zurück. Kari ist hier geboren und aufgewachsen und nach ihrer Ankunft auf der Insel erfährt sie vom Selbstmord ihrer früheren Freundin Wiebke.

Auf den ersten Blick scheint es tatsächlich so zu sein, dass Wiebke Suizid begangen hat, denn sie hat einen Abschiedsbrief hinterlassen, der keine Fragen offen lässt. Wiebkes Eltern können es jedoch nicht glauben, sie dachten immer, dass ihre Tochter glücklich sei und sie hätten niemals auch nur ansatzweise einen Hinweis dazu gefunden, dass Wiebke sich umbringen möchte. Kari bietet an, sich in Wiebkes Wohnung umzuschauen, denn sie selbst zweifelt von Anfang an am Selbstmord ihrer Freundin. In der Wohnung findet sich tatsächlich ein Indiz, das den Selbstmord widersinnig werden lässt.

Zu ihrem Kleeblatt gehörten damals noch 2 weitere Freundinnen: Sesle, die heutige Pfarrerin der Gemeinde und Mareike, die als Immobilienmaklerin auf der Insel arbeitet. Obwohl sie sich jahrelang nicht gesehen haben, findet Kari sehr schnell wieder Kontakt zu Sesle und auch diese stellt den Selbstmord von Wiebke in Frage.

Was geschah wirklich im Watt?

„Tod auf Föhr“ ist der erste von zwei Fällen für Kari Lürsen aus der Nordseekrimi-Reihe der Autorin Cornelia Härtl. Teil 2 „Angst auf Föhr“ ist vor wenigen Tagen, am 01.07.2023, veröffentlicht worden.

Was mir an diesem Buch gut gefällt ist die Tatsache, dass Kari nicht die Polizistin raushängen lässt und auf Biegen und Brechen auf eigene Faust ermittelt. Eigentlich möchte sie gar nicht, dass jemand weiß, dass sie Polizistin ist und in diesem Fall hinterfragt sie die Todesumstände als Privatperson, als Freundin. Sie tut das in einer ruhigen und unaufgeregten Art, stellt die richtigen Fragen bei den richtigen Personen und hier hilft ihr sicherlich ihr beruflicher Hintergrund, dass sie die erhaltenen Informationen dann auch in der richtigen Reihenfolge zu einem Gesamtbild zusammensetzen kann.

 

Zu Kari selbst erfährt man als Leser nicht sehr viel. Es gibt nur ein paar eingestreute Hinweise auf das Desaster, für welches sie bei ihrem letzten Einsatz verantwortlich war, und dass sie deswegen suspendiert ist. Eventuell gibt es ja im 2. Band noch ein paar Informationen zur Person von Kari.

Man erfährt, dass Kari einen Bruder hat. Dieser lebt nicht mehr auf Föhr, hatte aber scheinbar kurz vor Wiebkes Tod noch persönlichen Kontakt zu ihr. Bei ihm fängt Kari mit ihrer Suche nach der Wahrheit an und tatsächlich bekommt sie von Carl schon die ersten kleinen Hinweise, auf die sie ihre weitere Suche aufbauen kann.

Kari hinterfragt nicht nur das Leben bzw. den Tod von Wiebke, sondern sie setzt sich auch mit ihren damaligen Freundinnen Sesle und Mareike auseinander sowie all den Menschen, mit denen Wiebke in letzter Zeit näher zu tun hatte. Ihre Recherchen bringen zu Tage, dass irgendwie jeder Mensch ein gut gehütetes Geheimnis hat und auch beste Freunde nicht immer ausnahmslos alles miteinander teilen.

Für kurze Zeit rückt Bent in den Vordergrund, er ist der Inhaber der Dorfkneipe und Wiebke war vor ihrem Tod abends öfter dort, um einen Wein zu trinken. Bent ist sympathisch, scheint aber eine dubiose Vergangenheit zu haben, weswegen er mit der Polizei nicht so gerne zu tun haben möchte. Sein Handlungsstrang verläuft dann aber einfach im Nichts. Vielleicht hat auch er seinen roßen Auftritt erst im 2. Teil, denn Kari fand ihn ganz nett.

Bei ihren Recherchen stößt Kari auf zwei große Themen in Wiebkes Leben: das Eine hat mit einem unerfüllten Kinderwunsch zu tun, das Andere mit dem Wunsch nach beruflicher Veränderung. Beides löst in der Regel aber keine Suizidgedanken aus, eher das Gegenteil. Kari findet die Verbindung zwischen den Themen und somit den Grund dafür, warum Wiebke ins Watt gegangen ist.

Der Schreibstil der Autorin ist angenehm und flüssig zu lesen. Von Anfang an hat mir gefallen, dass Kari in diesem Fall keine eigenen Dämonen bezwingen muss, die sie dann selbst irgendwie in den Fall verstricken. Sie hat ihren letzten Einsatz verbockt, dafür muss sie die Konsequenzen tragen, aber ansonsten ist sie frei von schrecklichen Albträumen die mit vergangenen Fällen zu tun haben – Kari ist erfrischend normal.

Auch wenn der Fall nicht über einen riesengroßen Spannungsbogen verfügt, hat die Autorin es geschafft, mich so lange am Buch zu halten, bis die Geschichte fertig erzählt war – die kurze Lesezeit von 2 Tagen spricht für sich. Die Charaktere sind lebensecht ausgearbeitet, komen bei mir gewollt sympathisch oder auch unsympathisch an und die Geschichte an sich ist stimmig. Was will das Leserherz mehr?

Wer ruhige Krimis ohne viel Blut und Action mag, der ist hier sicherlich sehr gut bedient.