Rezension

New York City: Einsamkeitsforschung anhand der Biographien bekannter und weniger bekannter Künstler

Die einsame Stadt
von Olivia Laing

Bewertet mit 4.5 Sternen

Vor der Lektüre dieses bereits 2016 bei Canongate Books Ltd. in Edinburgh erschienen Buches sollte man wissen, dass es sich hier nicht um einen Roman handelt, sondern um die Auseinandersetzung der Autorin mit dem Thema Einsamkeit. Eine junge Frau, Ich-Erzählerin und wohl die Autorin selbst, ist von England nach New York umgezogen. Sie ist einsam und durchstreift New York auf den Spuren von Künstlern, die in der Stadt gelebt haben: U. a. Andy Warhol, Klaus Nomi, Edward Hopper, David Wojnarowicz, Henry Darger. Der Nachlass Dargers ist in New York archiviert, er lebte allerdings in  Chicago.

Olivia Laing taucht sehr tief in die Lebensgeschichten dieser Künstler ein, die, wie sie selbst, in der Stadt einsam waren. Man erfährt viel über ihre Lebensgeschichten, insbesondere über ihre Schicksale während der Anfangsphase der Aidsepidemie und der Ausgrenzung der erkrankten Künstler. Die Autorin betreibt, was die Biographien der diversen Künstler angeht, eine regelrecht wissenschaftlich anmutende  "Einsamkeitsforschung". Selbst interessiert an moderner Kunst ( Hopper, Warhol ), an Filmen und Fotografie ( Hitchcocks Vertigo, Greta Garbo, Wojnarowicz ) und an Musik ( Klaus Nomi ), habe ich die Lektüre genossen, zumal mitreißend und in faszinierenden Bildern erzählt wird.

Man sollte parallel zur Lektüre die jeweiligen Künstler, Filme, Bilder und die Musik googeln. Dann erschließt sich das Buch m. E. noch besser. Nicht jeder kennt David Wojnarowicz, Klaus Nomi oder die sogenannte Outsider Art eines Henry Darger. Aber diese Menschen durch diesen Roman, unterstützt durch googel, kennenzulernen, hat sich für mich gelohnt.

Auch die Gedanken und die beschriebenen Erfahrungen übers bzw. mit dem  Internet, fand ich gelungen. Etwa mit twitter, das Olivia als steten Strom von Gedanken und Meinungen wahrnimmt, dem sie an manchen, wenn nicht sogar an den meisten Tagen mehr Aufmerksamkeit schenkt als ihrem wahren Leben. Von ihrem Handy/Laptop schaut sie auf und aus ihrem Zimmer hinaus auf die riesengroßen flimmernden Bildschirme des Times Square, "gefangen in naturwidriger Landschaft, online emigriert", einsam. Grandios formuliert !

Die "Einsamkeitsforschungen" der Autorin enden mit einem versöhnlichen Fazit. Einsamkeit ist nicht gleichbedeutend mit Versagen und kann durch Kunst ertragbar gemacht und verarbeitet werden. Für Kunstinteressierte ist dieses Buch sehr zu empfehlen.

Ich vergebe 4,5 Sterne.