Rezension

Nicht meins.

Wo kommen wir denn da hin -

Wo kommen wir denn da hin
von Günter Habicht

Bewertet mit 2 Sternen

Humor ist eine sehr individuelle Angelegenheit!

'Wo kommen wir denn dahin' habe ich für den Sonderpreis von 3.99 € vom Grabbeltisch mitgenommen. Selbst das brauchte zwei Anläufe. Es ging nicht um den Preis, Gott bewahre, ich habe kurz reingelesen und bin beim ersten Mal unverrichteter Dinge weggegangen. Beim zweiten Mal nahm ich es mit, weil ich 'Zwischenlektüre' brauchte.

Günter (ohne 'h'), alias 'Habicht' (Nomen est omen) ist ein 63jähriger pensionierter Busfahrer und ein passionierter Ordnungsliebhaber. Nach 43 Jahren auf dem 'Bock' braucht es neue Aufgaben. Dann ist da noch seine gleichaltrige Ehefrau Brigitte, ehemalige Supermarkt-Angestellte und die gemeinsame Tochter Mareike, fast 30, Polizeibeamtin. Günter und Brigitte tun sich zunächst im gemeinsamen arbeitsfreien Beisammensein schwer und Brigitte schleppt einen Erziehungsratgeber an, um gewappnet zu sein und Abhilfe gegen Überdruss aufgrund ständiger Präsenz des anderen zu schaffen. 'So eine Tagesbetreuung für Frühpensionäre, eine Kita für Rentner, so etwas muss es doch geben!' hörte ich sie sich am Telefon bei ihrer Freundin Doris beklagen (8). Der Einstieg wirkt durchaus humorvoll. Dann tat ich mich schwer mit der ersten Hälfte des Buches und hatte das Gefühl, ich hätte einen völlig anderen Humor. Es war sicher auch die Sprache – umgangssprachlich, dialektal 'das sag ich Sie ganz offen' (7), 'Die ist ein Stück was jünger' (14), 'nöckelig' (28), 'ausgegnautschter Kaugummi' (29), 'dann gucken wir am besten zu Ikea' (112), aus meiner Sicht dämliche Wortschöpfungen wie 'Affenkiste' für den PC (29), abgegriffene Redensarten, orthographische Fehler, die man locker hätte er-googeln können und die noch nicht einmal etwas mit der Lautsprache zu tun haben wie z.B. das italienische 'Proschutti' statt 'prosciuto' (Schinken, gesprochen [Proschuto:], veraltete Jugendsprache 'da schnallt man ab' (69), falsch verwendete Redewendungen 'nicht so dicke geht' (88) statt 'so dicke haben' und vor allem die ständigen, ständigen Wiederholungen von 'höhöhö' und 'pah,' der Jugend-Comicsprache aus den 80igern, einer amerikanischen Sitcom gleich, als müsse der Leser unablässig darauf hingewiesen werden, an welchen Stellen es lustig gemeint ist und er zu schmunzeln habe. Die Quantität dieser Interjektionen war wirklich nervig.

Ab der zweiten Hälfte habe ich die Lektüre dann als 'besser', als weniger anstrengend empfunden, vielleicht hatte ich mich an Stil und Inhalt gewöhnt oder vielleicht war es wirklich ein wenig besser, lustiger 'Wenn die vorm Ikea steht, vergisst sie jede Kinderstube und scharrt mit den Hufen wie ein Rennpferd in der Box' (117) beschreibt Günter seine Brigitte, die es kaum abwarten kann, den Ikea zu entern und 'Die Konstrukteure des Kadett hatten sich nicht mit den Tischlern von Ikea abgesprochen' (127), weil man als Leser selbst schon bei Ikea war und das Prozedere und auch das Einladen dort kennt, kann man sich die Situation bildhaft vorstellen oder 'die ist alleinstehend mit Tinder' (89). Ganz witzig und authentisch ist auch, wie Brigitte vor Weihnachten die ganze Bude putzt und Günter sich nirgendwo mehr hinsetzen soll.

Summasumarum tue ich mit den zu vergebenen Sternen schwer. Ich möchte das Buch auch nicht völlig verreißen, teilweise ist es sehr dämlich, teilweise ein wenig lustig, die Lektüre ist sicher leichter, wenn man anständig 'einen im Tee hat' oder einen seiner albernen Tage. Aufgrund des oben Gesagten und der sprachlichen Defizite vergebe ich daher nur zwei Sterne.