Rezension

Öffnet die Augen für das Schicksal indischer Mädchen

Das Mädchen mit dem Drachen -

Das Mädchen mit dem Drachen
von Laetitia Colombani

Bewertet mit 4 Sternen

Die französiche Lehrerin Léna hat einen Schicksalsschlag erlitten. Um über die Trauer hinwegzukommen und den Kopf zu beschäftigen, fliegt sie nach Indien, wo es ihr aber zunächst nicht gelingt, das Geschehene zu verarbeiten. Als sie beim Schwimmen fast aufs Meer hinausgetrieben wird, holt ein junges Mädchen, dass täglich kurz am Strand mit seinem Drachen spielt Hilfe und rettet Léna so das Leben. Sie merkt, dass in dem recht armen Dorf Mächen kaum auf eine gute Zukunft hoffen können und beginnt, sich für diese einzusetzen. Doch wird sie dadurch auch ihren eigenen Schmerz lindern können?

Das Buch von Laetitia Colombani erinnert äußerlich an die beiden Vorgänger "Der Zopf" und "Das Haus der Frauen". Auch inhaltlich widmet sie sich wieder den Frauen, ihren Ängsten, ihren Rechten und ihren Hoffnungen. Zwar ist das Buch nicht besonders umfangreich, doch schon auf den ersten Seiten, schwappt eine Welle Indien über den Leser. Mit wenigen Worten, so viel auszudrücken, ist eine Kunst, die die Autorin perfekt beherrscht. Lange, verschachtelte Sätze sucht man hier vergebens. Das Buch ist auch vom Satz her eher auf Leichtigkeit getrimmt: kurze Kapitel, wenige Zeilen pro Absatz, viel Raum. Diese Leichtigkeit steht jedoch im krassen Gegensatz zu dem eher bedrückenden Thema. Mehrfach muss man sehr schwer schlucken, wenn man die beispielhaften, gut recherchierten und authentisch geschilderten Schicksale von Mädchen und Frauen in Indien liest, vor allem wenn es um solche geht, die noch richtige Kinder sind. Gewalt gegen Frauen, Kinderarbeit, Hunger und Zwangsehe sind nur einige Schlagworte, die hier zu nennen sind. 

Der Anfang des Buches konnte mich also wirklich begeistern. Man fragt sich, was Léna wohl selbst Schlimmes erlebt haben könnte. Im Mittelteil hatte die Geschichte leider dann eher den Charakter eines Planes, der abgearbeitet wird. Natürlich geht es da auch, um die Umsetzung einer Idee, die Léna hat, doch mir fehlte da etwas die Emotion. Zudem wird andauernd und nicht besonders geschickt imm wieder auf den Schicksalsschlag Lénas hingewiesen, was etwas nervig ist, wenn man eh so gespannt ist zu erfahren, was denn nun geschehen war. Auch die Auflösung dieser Frage war für mich etwas konstruiert und nicht ganz realistisch. 

Umso mehr packte mich aber wieder das Ende des Buches, in dem sich plötzlich die Ereignisse überschlagen und sogar richtig Spannung aufkommt. Der Schluss wirkt auf mich versöhnend, aber nicht zu sehr, denn er lässt noch einiges offen. Das finde ich gut, denn anders hätte das Ganze für mich nicht gepasst. Auf jeden Fall ein Buch, dass mich dankbar für das, was ich habe und sein darf, zurücklässt. Werde ich nicht so schnell aus dem Kopf bekommen. 4 Sterne