Rezension

Die Rolle der indischen Frauen aus der Kaste der Unberührbaren

Das Mädchen mit dem Drachen -

Das Mädchen mit dem Drachen
von Laetitia Colombani

Bewertet mit 5 Sternen

In diesem erneut feministischen Roman der Autorin greift sie die Figur des Mädchens Lalita aus ihrem früheren Werk „Der Zopf“ auf. Beide Bücher lassen sich vollständig unabhängig voneinander lesen. Lalita ist ein indisches Halbwaisenkind aus der Kaste er Unberührbaren, das von einem entfernten Verwandten in Südindien am Golf von Bengalen Aufnahme findet und diesem in dessen Gastwirtschaft zur Hand geht. Bei ihren morgendlichen Spielen am Strand mit dem Drachen trifft sie auf Léna, einer Englischlehrerin aus Frankreich, die im fernen Indien ein persönliches Trauma verarbeiten will. Als Léna beim Schwimmen im Ozean zu ertrinken droht, holt Lalita Hilfe in Gestalt der Roten Brigade herbei, einer Gruppe junger Mädchen unter Führung von Preeti, die dort Selbstverteidigung trainieren, damit Mädchen und Frauen sich gegen die in ihrem Land allgegenwärtigen Vergewaltigungen und Unterdrückungen durch Männer wehren können. Aus dieser Bekanntschaft mit den analphabetischen Mädchen entsteht bei Léna die Idee, eine Schule in dem Dorf aufzubauen, da sie richtigerweise nur mit Bildung dem Kreislauf aus Armut, Kinderarbeit, Zwangsverheiratung im Kindesalter, Gewalt entgehen können. Zunächst beginnt sie mit provisorischem Unterricht, bis dann nach zwei Jahren, die auch geprägt sind von Rückschlägen und Widerständen, die Schule eröffnet.

Der Roman zeichnet ein erschreckendes Bild von den gesellschaftlichen Zuständen in Indien, wo noch immer die Kastenordnung tief verwurzelt ist mit ihren so fatalen Folgen für die unterste Kaste der Unberührbaren und vor allem für die ihr zugehörigen Frauen. Für uns westliche Leser kaum vorstellbar. Umso bewundernswerter ist es, wenn zwei tatkräftige Frauen wie Léna und Preeti Veränderungen herbeiführen und Mädchen eine Zukunft ermöglichen wollen, von denen noch dazu nur eine aus dem Land kommt. Jede der drei weiblichen Protagonistinnen hat ihre eigene berührende Lebensgeschichte, die in ihrer Gänze erst nach und nach aufgedeckt werden. Was Preetis Vergangenheit anbelangt, so mag sich die Autorin an dem vor einigen Jahren die Schlagzeilen bestimmenden Fall der Massenvergewaltigung einer Studentin durch indische Männer orientiert haben.

Ein sehr schöner Roman.