Rezension

Ohne Politik-Referenzen wäre es ein wundervoller Roman

New Horizons - Lilly Lucas

New Horizons
von Lilly Lucas

Bewertet mit 3 Sternen

Ich hatte mich riesig darauf gefreut, in das fiktive, idyllische Städtchen Green Valley zurückzukehren! "New Horizons" ist storytechnisch in meinen Augen der bisher gelungenste Roman der gesamten Reihe, weshalb es besonders bitter für mich war, keine 5 Sterne vergeben zu können.

Zunächst zum Positiven.

Das Cover passt wunderbar zu den übrigen Bänden der Reihe und hat aufgrund der Glitzerelemente einfach das gewisse Extra. Optik: Check!

Meine anfängliche Befürchtung, dass die halbe Handlung um Annie sich aufgrund des im Klappentext angedeuteten Komas in einem Krankenhaus abspielen würde, hat sich glücklicherweise nicht bewahrheitet. Im Gegenteil, das Hauptsetting ist durch und durch Green Valley, was ich als großes Plus empfand. Da ich selbst eine Weile in Colorado gelebt habe, hatte ich aufgrund der tollen Landschaftsbeschreibungen direkt die atemberaubende Natur dieses schönen U.S. Bundesstaates vor Augen.

Beide Hauptfiguren sind tiefgründig ausgearbeitet worden, wirken ungemein sympathisch (- selbst Cole mit seinem charmanten Super-Ego -) und in ihrem Handeln sowie in ihren Gedanken nachvollziehbar. Auch über das Wiedersehen mit Figuren aus den vorherigen Bänden habe ich mich gefreut.

Der Erzählstil ist mehr als angenehm, die Handlung steigert sich ideal in Sachen Spannung, die Dialoge sind authentisch, sowohl Humor als auch Gefühl kommen nicht zu kurz – in anderen Worten: Alles könnte so schön sein!

ABER… Leider gab es etwas, das mein Lesevergnügen gehörig getrübt hat. Dazu muss ich vorab etwas erklären: Ich mag es nicht, wenn in Jugendromanen meinungsbildende politische Nuancen eingeflochten werden. Wenn ich mich über Politiker/innen ärgern möchte, schalte ich die Nachrichten ein oder lese die Zeitung. Jeder sollte sich selbst in den Medien über Politiker/innen, Parteien und deren Programme informieren, das befürworte ich sehr. Doch in Jugendromanen haben flache Anspielungen, die einfach nur suggerieren, dass Politiker/in XY schlecht ist, ohne jegliche Hintergrundinformation zu liefern, nichts zu suchen. Wenn man schon eine politische Message anbringt, sollte sie entweder a) nicht mit einem Halbsatz abgespeist, sondern zumindest näher begründet werden und b) relevant für die Handlung sein. Ich stelle mir bei solchen Dingen stets die Frage: Macht diese Aussage das Werk besser, erfüllt sie einen bestimmten Zweck? Hier kann ich deutlich sagen: Nein, leider nicht. Folglich wirken die jeweiligen Kommentare oberflächlich, als hätte die Autorin Politik-Bingo gespielt und einfach aus Prinzip gewisse Phrasen in die Handlung geworfen, um auf den aktuellen Bandwagon aufzuspringen. Was ich damit meine? – Wenn ein Theaterstück aufgrund seiner Besetzung als "zu weiß" empfunden wird, sollte man nicht einfach nur Schauspieler/innen mit afroamerikanischem Background hinzufügen und sagen 'fertig', sondern auch erläutern, WIESO dieses Thema gerade heutzutage so wichtig ist. Alles andere wirkt halbherzig und unauthentisch.

Innerhalb weniger Kapitel fiel das erste Mal der Name Donald Trump und ich dachte mir: 'Die Handlung spielt in den USA, zu einem Zeitpunkt als er Präsident war – dass die Figuren ihn im Bewusstsein haben, macht Sinn. Fair enough.' Ein paar Kapitel später folgte bereits die nächste - für die Handlung komplett irrelevante - Trumpreferenz und genervt von dem unnötigen Politikverweis dämmerte mir: 'Okay, I get it – die Autorin will uns sagen, dass sie besagten Politiker wirklich, wirklich nicht mag. Message angekommen.' *Augenroll* Anscheinend war dies allerdings immer noch nicht genug, denn im letzten Drittel des Werkes folgte der 3. Kommentar dazu und war ich vorher lediglich irritiert gewesen, war es diese Referenz, über die ich mich so maßlos geärgert habe, dass ich das Buch am liebsten in die nächste Ecke gepfeffert hätte, denn hier macht sich die Autorin in einem Vergleich über das "maskenhafte" Aussehen von Melania Trump lustig – also einer Frau, die mit dem ganzen Politik-Zirkus absolut nichts zu tun hat und sich nichts zu Schulden hat kommen lassen, außer mit einem Politiker verheiratet zu sein, den Lilly Lucas offensichtlich gefressen hat. Das ist in meinen Augen unterste Schublade und ich war ehrlich enttäuscht, dass eine von mir bewunderte Autorin zu solch einem niveaulosen Mittel greift. Ich denke, wir sind uns alle darüber einig, dass Herr Trump bezüglich seiner frauenfeindlichen, in der Vergangenheit getätigten Kommentare zu Recht scharf kritisiert worden ist. In welcher Welt ist es dann okay, wenn man über das Aussehen seiner Frau spottet und damit genau das tut - Frauen auf ihre Optik reduzieren und öffentlich kritisieren -, was ihm vorgeworfen wurde bzw. wird?! Leben wir nicht in Zeiten, wo Frauen einander unterstützen, anstatt sich gegenseitig gehässig herunterzumachen? Lese ich gerade nicht in gefühlt jedem zweiten Buch von Female Empowerment, Positivity und Mädchen, die sich "gegenseitig die Krone richten", anstatt gehässig aufeinander loszugehen? - Die diesbezügliche Message in diesem Roman scheint zu sein: 'Wenn man eine Person nur stark genug hasst, ist die selektive Abwertung von ihm/ihr, dessen Partner/in, Familienmitgliedern etc. total okay.' Ganz ehrlich, ich finde es ziemlich grenzwertig und mehr als bedenklich, jugendlichen Lesern/innen solch eine Doppelmoral völlig selbstverständlich in einem Nebensatz unterzuschieben. Und nein, mir kann niemand erzählen, dass einer solch talentierten, wortgewandten Autorin wie Lilly Lucas keine andere Wortwahl für ihren Vergleich eingefallen wäre. Wie der Verlag so eine Formulierung durchwinken konnte, ist mir unbegreiflich.

So, und was sollte ich nun mit diesem Werk anstellen, dessen Story mir im Grunde wahnsinnig gut gefallen hat, über das ich mich aber auch über die Maßen geärgert habe? Verschenken? Auf Nimmer-Wieder-Lesen ins Regal verbannen? Ich entschied mich für den Mittelweg und habe die betreffenden Stellen kurzerhand geschwärzt, sodass mir in Zukunft einfach nur eine traumhafte Geschichte übrigbleibt. Hätte die Autorin doch nur das Gleiche getan - die unnötigen Politikreferenzen weggelassen und sich stattdessen rein auf die eigentliche Story konzentriert, die sie erzählen wollte! Dann wäre dies ein grandioses 5-Sterne-Buch geworden.

Fazit: Mega schade! Aber es gibt einen Lichtblickt: Zumindest ist besagter Politiker ja mittlerweile von der Bildfläche verschwunden, es besteht also Hoffnung, dass die politischen Phrasen sich im nächsten Band nicht wiederholen werden. Fingers crossed!