Rezension

Qualvolle Suche nach einem Familiengeheimnis

Die Mutter meiner Mutter
von Sabine Rennefanz

~~Inhalt
Anna ist ein fünfzehnjähriges Flüchtlingsmädchen, das 1945 aus dem Osten Zuflucht in dem kleinen Dorf Kosakenberg sucht. Sie heiratet jung und bekommt drei Kinder. Erst Jahrzehnte später stößt eine ihrer Töchter auf das düstere Geheimnis ihrer Mutter. Mit den Worten "Ich habe etwas über deinen Großvater herausgefunden" beginnt die Suche der Enkelin nach der Wahrheit, welches ihr perfektes Bild von ihrem Großvater zum Einstürzen bringt und zeigt, warum ihre Großmutter all die Jahre so eigentümlich und unnahbar war. 

Meine Meinung
Sabine Rennefanz schreibt in "Die Mutter meiner Mutter" eine autobiographische Erzählung, die distanziert, sachlich und erschütternd ist. Die Distanz stellt sich schon bei der Beschreibung ihrer Großmutter ein, die sie fast durchgängig als "Die Mutter meiner Mutter" bezeichnet wird und so einen Abstand zwischen ihr und Anna schafft, der sicher notwendig war, um die sehr persönliche Geschichte zu Papier bringen zu können.

Ungewöhnlich ist der Beginn des Romans, in dem wir zunächst den Großvater kennenlernen, der in der Familie eine Art Heldenstatus hat. Als Leser stutzt man einen Moment, weil man damit rechnet, dass die Geschichte sofort mit der Großmutter beginnt, aber dieser Anfang ist wichtig, um zu verstehen, welche Rolle der Großvater in der Handlung spielt. Als die Mutter ihrer Tochter sagt "Ich habe etwas über deinen Großvater herausgefunden", ahnt diese noch nicht, wie sehr ihr Bild des perfekten Opas ins Wanken gebracht wird.

Anna ist eine Mutter, die ganz anders ist als andere Mütter. Herzlichkeit und Wärme sind bei ihr Mangelware. Erst zwanzig Jahre nach dem Tod des Vaters, wird deutlich, warum sie so ist, wie sie ist und nie eine echte Chance auf ein wenig Glück hatte. Als alte Frau sieht sie das Haus ihrer Kindheit wieder und zeigt dort das erste Mal Gefühle.

Sabine Rennefanz schreibt über Brutalität und Gewalt, die es nach dem Krieg in vielen Familien gab. Wie in Annas Fall wurde fast immer weggesehen und geschwiegen. Ein Tabu hierbei sind die Taten der Männer.

Fazit
"Die Mutter meiner Mutter" ist eine authentisch erzählte Familiengeschichte aus der Nachkriegszeit. Distanziert, sachlich und ein wenig beklemmend ist die Schilderung der menschlichen Tragödie, für die ich gerne eine Leseempfehlung ausspreche