Rezension

Reise in eine teilweise vertraute, aber verkehrte Welt

Gefangen zwischen den Welten - Sara Oliver

Gefangen zwischen den Welten
von Sara Oliver

Bewertet mit 3 Sternen

Wandeln zwischen den Welten – Ve trifft auf ihre Doppelgängerin Nicky

Veronica, die Ve genannt wird, soll die Sommerferien bei ihrem Vater in einem kleinen bayerischen Dorf in den Bergen verbringen. Doch ihr Vater ist nicht auf dem untergekommenen Schloss, in dem er inzwischen wohnt. Stattdessen wird Ve von Marcella empfangen, einer ehemalige Kollegin ihres Vaters. Im Keller findet Ve einen geheimnisvollen Aufzug, der nicht zu funktionieren scheint – bis Ve am eigenen Leib feststellen muss, dass er sie in eine Parallelwelt bringen kann, in der sich einige Dinge grundlegend von ihrer gewohnten Welt unterscheiden. Ihr eigenes Selbst existiert dort auch – immer noch als Nicky, dem Kosenamen, den sie in ihrer Kindheit hatte.

Die Geschichte hat viel Potential – Parallelwelten, die Frage, wie stark Entscheidungen und Ereignisse die Entwicklung eines Menschen beeinflussen, die Möglichkeit dank eines Wurmlochs, sein eigenes Ich in einer anderen Realität zu treffen. Die Idee ist nicht neu – jedem, der „Der Riss im Raum“ von Madeleine L'Engle gelesen oder die TV-Serie „Sliders“ gesehen hat, ist das Konzept von Reisen durch ein Wurmloch oder Parallelwelten bekannt. Dennoch ist das Thema für ein Jugendbuch reizvoll, daher hatte ich mich auf die Geschichte von Ve und Nicky gefreut. Gerade hier fehlt mir aber etwas Entscheidendes – ich hätte mir mehr Interaktion zwischen den Doppelgängerinnen gewünscht. Stattdessen geht Nicky ihrem Alltag nach, während Ve munter durch die neue Welt marschiert und sich in Finn verliebt, der in ihrer eigenen Welt ein Musikstar und damit für Ve unerreichbar ist. Natürlich erweist sich der Finn in Nickys Welt als charmant und liebenswert, während sein Pendant in Ves Realität eingebildet und unhöflich ist. Vergessen ist der verschwundene Vater – Ves primäres Ziel lautet Finn.

Bei allem Verständnis für die erste große Liebe, aber hier hätte ich einfach ein wenig mehr Realitätssinn erwartet. Ve befindet sich in einer Parallelwelt (!), Nickys und ihr eigener Vater sind beide verschwunden (!) und dennoch ist ein gemeinsames Schwimmen im Bergsee mit Finn das Highlight. Nicky verhält sich übrigens auch widersinnig, so dass die beiden Doppelgängerinnen wenigstens das gemeinsam haben.

Das Ende bringt einen vorübergehenden Abschluss, lässt aber viel Raum für die folgenden zwei Bände. Alles in allem ist „Gefangen zwischen den Welten“ ein guter Jugendroman, der das Science-Fiction-Thema „Reisen zu einer Parallelwelt“ jugendgerecht umsetzt, aber durchaus noch Potential nach oben gehabt hätte. Besonders ansprechend ist das Cover in vorwiegend Blautönen, das ein Mädchen zeigt, das über eine Brücke geht, an deren Unterseite das Schloss zu sehen ist – eine vertraute, aber verkehrte Welt.