Rezension

Rückkehr nach Irland

Long Island -

Long Island
von Colm Toibin

Bewertet mit 3 Sternen

Zunächst sollte man wissen, dass dieser Roman die Fortsetzung von Brooklyn ist. Natürlich kann man ihn auch lesen, ohne das andere Buch zu kennen, aber es hilft halt doch, vorher um die Entwicklungen der Figuren zu wissen. Eilis, einst aus Irland ausgewandert, wird von ihrem Ehemann Tony betrogen. Nun steht ein uneheliches Kind ins Haus und das wortwörtlich, denn der betrogene Ehemann will es bei Eilis und Tony vor die Tür legen, sobald es geboren ist. Tonys italienischstämmige Großfamilie findet das in Ordnung, schließlich ist es ihr eigen Fleisch und Blut. Eilis ist wie vor den Kopf geschlagen und fliegt in ihre alte Heimat, wo sie seinerzeit selbst verbrannte Erde zurückgelassen hatte: Kurz nachdem sie in Amerika geheiratet hatte, war sie wegen ihrer verstorbenen Schwester zurückgekommen, hat ihre Ehe verschwiegen und sich in Jim verliebt und diesen dann aber ohne einen Abschied zurückgelassen, weil ihre Ehe über drei Ecke dann doch die Runde in Irland gemacht hat. So und jetzt ist sie wieder da und alles geht von vorne los.

Ich hatte mich sehr auf diesen Roman gefreut und wollte ihn wirklich mögen. Leider konnten mich weder die Charaktere noch die Geschichte überzeugen. Auf dem Klappentext heißt es: mitreißend, aufwühlend, unwiderstehlich. So habe ich das Buch in weiten Teilen leider gar nicht empfunden. Sicherlich versteht es der Autor, das zerrissene Innenleben seiner Figuren darzustellen. Immer wieder stehen Gedanken und Handeln im Gegensatz. Die unterschiedlichen Perspektiven verdeutlichen, wie verschieden die Figuren Situationen wahrnehmen. Das ist aufschlussreich und interessant, manchmal humorvoll zu lesen. Jim ist nämlich mittlerweile mit Eilis vormals bester Freundin Nancy (nun verwitwet) zusammen, sie halten die Beziehung aber noch geheim. Sobald aber Eilis auftaucht, ist es, als hätte Jim nur darauf gewartet, erzählt ihr aber seinerseits nichts von der geplanten Hochzeit mit Nancy.

Auch die Szenen, die das irische Dorfleben beleben, sind wunderbar und bringen Zeitkolorit in den Roman, der zu Beginn der 1970er spielt. Der Text liest sich flüssig und schnell. Aber die Handlung insgesamt ist voll von Heimlichkeiten, unausgesprochenen Gefühlen, wohl auch unsicheren Gefühlen und alle drehen sich praktisch permanent im Kreis und - so sehe ich es - um sich selbst. Das trägt den Roman für mich nicht über die gut 300 Seiten. 

Ich freue mich wirklich für alle, die dieses Buch als Bereicherung empfinden und mit dem Gefühlsleben der drei Hauptfiguren mitfiebern können.  Übrigens ist die Verfilmung von Brooklyn eine gute Möglichkeit, die Vorgeschichte in kurzer Zeit kennenzulernen. Figuren und Handlung überzeugen hier wesentlich besser.