Rezension

Belang- und gefühllose Dreiecksgeschichte mit drei faden, unentschlossenen und egoistischen Protagonisten

Long Island -

Long Island
von Colm Toibin

Bewertet mit 2 Sternen

Als Eilis erfährt, dass ihr Mann Tony ein Baby von einer anderen Frau erwartet, mit der eine Affäre hatte und nicht eindeutig ablehnt, dass Kind bei sich aufzunehmen oder von seiner Mutter aufnehmen zu lassen, reist Eilis ab in ihre Heimat Irland, wo sie zuletzt vor 20 Jahren war. Dort trifft sie auf Jim, dem sie damals näher gekommen war, obwohl sie bereits mit Tony verheiratet war.
Inzwischen ist Jim verlobt, aber die Beziehung mit der verwitweten Nancy ist in der Kleinstadt nicht öffentlich bekannt. 

Ohne dass es anhand der Beschreibung erkennbar ist, handelt es sich bei "Long Island" um die Fortsetzung des Romans "Brooklyn". Auch wenn man der Handlung folgen kann, ist es von Vorteil die Vorgeschichte zu kennen, um das Verhalten der drei Hauptfiguren Eilis, Jim und Nancy besser einordnen zu können.

Mir fiel dies im weiteren Verlauf des Romans immer schwerer. Keine der drei Hauptfiguren verhält sich ihrem Alter entsprechend erwachsen und übernimmt Verantwortung für ihr Handeln. Probleme und Gefühle bleiben unausgesprochen. Statt klaren Verhältnissen herrschen Heimlichkeiten und Unsicherheiten. 
Nach 20 Jahren kommt es beim Aufeinandertreffen von Eilis mit Jim und Nancy zu keinen klärenden Gesprächen. Die wahren Gefühle bleiben verborgen, Dinge werden verheimlicht und vertuscht. Niemand ist ehrlich zum anderen und wagt es, eine Entscheidung zu treffen, um sich selbst alle Optionen offen zu halten.
Dadurch tritt der Roman unweigerlich auf der Stelle und verharrt nach einem fulminanten Beginn weitgehend ereignislos. Tatsächlich ist die bemerkenswerteste Szene die am Anfang, als Eilis auf brutale Art und Weise erfährt, das ungewollter Nachwuchs unterwegs ist, den der gehörnte Ehemann nach der Geburt abgeben möchte. 
Der weitere Handlungsverlauf in Irland ist schlicht belang- und gefühllos, bis Nancy wenigstens am Ende etwas Initiative zeigt. Die Chance für eine Aussprache bleibt allerdings ungenutzt. 
"Long Island" ist eine enttäuschende Dreiecksgeschichte mit drei faden, unentschlossenen und egoistischen Protagonisten, die so blutleer wie der halbherzige Schluss sind, der die Option für eine Fortsetzung offen lässt.