Schwestern auf den Punkt gebracht
Bewertet mit 4.5 Sternen
Bei "Blue Sisters" merkt man total, wie Coco Mellors sich in ihrem Schreibstil weiterentwickelt und verfeinert hat, denn dieses Buch hat wirklich ins Schwarze getroffen. Die Blue Schwestern laufen praktisch aus den Seiten heraus und man hat das Gefühl, sie wirklich treffen zu können wenn man in New York, Paris, London oder LA unterwegs ist. Und das, obwohl der Lebensstil der Schwestern alles andere als normal / realistisch für die Meisten Leser:innen sein sollte. Dennoch sitzt man quasi mit ihnen im Zimmer, fühlt ihre Emotionen, lebt ihre Kämpfe gegen verschiedene Dämonen mit.
Zu großen Teilen liegt das am tollen Schreibstil von Coco Mellors. Sie schreibt bildhafte Metaphern wie niemand sonst, den ich gelesen habe und das macht alles sehr plastisch und eingängig. Gleichzeitig ist alles mit trockenem Witz durchzogen und lockert viele schwere Situationen auf.
Und in diesem Buch werden so viele wichtige Themen angesprochen wie Familie, Endomitriose, Sucht etc. Ich denke damit macht Mellors viele interessante Diskussionen auf, die dringend geführt werden müssen. Außerdem zeigt sie diese oft vernachlässigte Beziehung unter Geschwistern so, wie sie wirklich ist. Mal gemein, mal unaussprechlich und dennoch immer verbunden. So, das man die anderen besser kennt als sich selbst. Und deshalb fand ich es auch so schön, dass wir die verstorbene Schwester Nicky nur durch die Augen ihrer Schwestern kennenlernen. Das schafft so viel Nuance und Verständnis für diese besondere Art von Beziehung, das war stilistisch unfassbar gut gemacht.
Zum Buch in der deutschen Übersetzung dürfen meiner Meinung nach zwei Dinge nicht unerwähnt bleiben: Das Cover ist wunderschön, es wäre ein perfektes Wandbild und passt so gut zu Mellors erstem Roman, Cleopatra und Frankenstein. Außerdem hat der Eichborn Verlag hier finde ich eine sehr innovative und angenehme Art gefunden, zu gendern. Mit einem einzigen Punkt oben statt einem Doppelpunkt fügt sich das sehr gut in den Lesefluss ein!
Dieses Buch ist ein Slowburn mit rasantem Tempo am Ende. Die Blue Schwestern werden mich gedanklich noch lange begleiten und ich bin sehr froh darum. Ich empfehle diese Charakterstudie allen, die gefahrenlos über Traumata lesen können, Geschwister haben oder einfach wissen wollen, wie sich das anfühlt.