Rezension

Simon

Simón -

Simón
von Miqui Otero

Bewertet mit 3.5 Sternen

Simon ist 8 Jahre alt, als sein wunderbar verrückter Cousin Rico von einem auf den anderen Tag aus Barcelona und seinem Leben verschwindet. Zurückgelassen hat er seine Bücher, seine exzentrischen Klamotten und die Frage, warum er überhaupt gegangen ist. Simon bleibt mit seiner z.T. zerstrittenen, aber durch die gemeinsamen Kneipe aneinander gefesselte Familie zurück, und muss sich im Leben behaupten lernen, denn die Bücherblase, die Rico um ihn errichtet hat, die hält nicht ewig.

Otero beschreibt mehrere Jahrzehnte aus Simons, aber auch aus dem Leben jeden Spaniers. Geprägt werden alle von den Olympischen Spielen, der Wirtschaftskrise, dem Kampf um Kataloniens Unabhängigkeit, u.v.m. Von diesem Gesichtspunkt aus gelesen, gibt die Geschichte gesellschaftlich einiges her. Auch die Stammtrinker in der Familienkneipe spiegeln viel wider, wie z.B. der Taxifahrer, der sich zur Zeit der Olympischen Spiele reichlich geistige Getränke, in der Wirtschaftskrise jedoch kaum das kleine Schnäppschen leisten kann. Ich mochte das Baraja wirklich gern. Durch Simon darf der Leser außerdem einen Blick in die Küchen edler Restaurants werfen, ein hartes Leben ganz ohne Glanz und Gloria. Ich fand es ein bisschen schade, dass die Liebe zur Literatur mit der Zeit nachlässt, auch wenn das natürlich Simons Ernüchterung auf einer weiteren Ebene versinnbildlicht. Er, der als Kind sogar z.T. in Zitaten gedacht hat, wird als Erwachsener kaum noch lesen, ist ganz in der Wirklichkeit angekommen. Ich kann auch nach Ende der Lektüre nicht sicher sagen, ob ich ihn sympathisch fand, aber seine Figur wirkt auf jeden Fall echt, wenn auch manchmal distanziert. Zu Beginn hat mich Oteros Geschichte bezaubert und begeistert, doch im weiteren Verlauf wird nicht nur Simon entzaubert, sondern auch für mich hat die Geschichte an Kraft verloren. Sie wirkt etwas müde, und scheint sich manchmal sogar über die Seiten zu schleppen. Auch Barcelonas ganz eigene Atmosphäre kommt nicht so wirklich rüber, nur szenenweise erschafft Otero kraftvolle Bilder der Stadt. Sprachlich ist der Roman toll, aber die Handlung ist zwar stark gestartet, hat dann aber leider immer weiter verloren, sodass ich letztendlich das Buch etwas ernüchtert zugeklappt habe.