Rezension

Sind wir nicht alle ein bisschen Hippie?

Hippie - Paulo Coelho

Hippie
von Paulo Coelho

Bewertet mit 4 Sternen

„Denn nur ein gelebter Traum hat die Kraft, alle Grenzen zu überwinden.“ Liebe, Frieden, Flowerpower - die Hippie-Ära fasziniert noch Jahrzehnte nach ihrer Blütezeit. Auch mich, weshalb schnell feststand: Dieses Buch mit seinem ausnehmend schönen, bunten Cover möchte ich besitzen - auch wenn mir sonst Buchdeckel ziemlich egal sind. Aber „Hippie“ hat mich optisch sofort angesprochen und auch inhaltlich nicht enttäuscht. Das Gelesene wirkt authentisch und ist es zum Teil auch. Coelho verarbeitet hier Autobiographisches, aber macht einen Roman daraus, schafft Distanz zu seiner Person, indem er von dem jungen, rebellischen Brasilianer Paulo erzählt, der sich 1970 auf einer Reise zu sich selbst befindet und nebenbei die Welt erkundet.

Doch Coelho schildert nicht nur Paulos Sicht, sondern wechselt die Perspektiven und lässt den Leser auch an Gedanken und Erinnerungen der Holländerin Karla, des irischen Paars Mirthe und Ryan oder des französischen Vater-Tochter-Gespanns Jacques und Marie teilhaben. Sie alle sind zusammen unterwegs im Magic Bus, der besser klingt, als das, was er tatsächlich ist: ein umgebauter Schulbus mit ziemlich unbequemen Sitzen. Aber der Bus bietet einzigartige Möglichkeiten: Für nur 70 Dollar kann man mit ihm von Europa nach Nepal reisen. 

Paulo hat eigentlich ein anderes Ziel, bis er Karla in Amsterdam begegnet. Die hat schon auf den Brasilianer gewartet - warum? Weil eine ihr diese Begegnung prophezeit worden war. Hier musste ich ein schmunzeln - denn Coelho wäre nicht Coelho, wenn er und seine Karla einander einfach so kennengelernt hätten. Natürlich war überirdische Fügung dabei, die aus der Wahrsagerin sprach. Aber auch ich selbst erwischte mich dabei, wie ich bei einer Passage das Gefühl hatte, das sei direkt an mich adressiert (das würde dem Autor gewiss gefallen, wenn er jemals davon erführe). Das kann natürlich auch daran liegen, dass einem immer wieder allgemein gültige Sätze begegnen wie „Der schlimmste Mord ist der, der an unserer Lebensfreude begangen wird“ oder „Ihm war endlich klargeworden, dass wir letztlich allem, was uns widerfährt, ohne Angst begegnen müssen, weil alles zum Leben gehört.“ 

Wie dem auch sei: Ich habe Hippie gerne gelesen, auch wenn ich zugeben muss, dass ich irgendwie noch ein bisschen mehr „Wow!“ erwartet hatte. Aber ich bin auch ins Grübeln gekommen, wie es eigentlich 50 Jahre später mit Frieden, freiem Denken, Spiritualität, der Suche nach neuen Werten und Welten bestellt ist.