Rezension

Still und unaufgeregt

Der englische Liebhaber - Federica De Cesco

Der englische Liebhaber
von Federica de Cesco

Autorin: Federica de Cesco
Erscheinungstag: 29.06.2018
Verlag: Europa Verlag
Seiten: 360 (Hardcover)

Inhalt (übernommen)

Münster, kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Stadt ist zerstört, es ist Winter, die Menschen kämpfen um ihre Existenz. Die junge Anna hält ihre Familie mit einer Stelle als Dolmetscherin bei der britischen Besatzungsmacht über Wasser. Als sie eines Tages mit Fieber bei der Arbeit erscheint, bietet ihr der englische Captain Jeremy an, sie nach Hause zu bringen – es ist der Beginn einer leidenschaftlichen Liaison, die im Nachkriegsdeutschland verpönt ist, denn mit dem Feind lässt man sich nicht ein. Doch als Anna schwanger wird, ist Captain Jeremy verschwunden, und die Engländer verweigern ihr jede Auskunft. Vierzig Jahre später findet Annas Tochter Charlotte Tagebuchaufzeichnungen und alte Tonbandaufnahmen – und sie macht sich daran, das Geheimnis der großen verbotenen Liebe von Anna und Jeremy zu lüften. Warum verschwand er eines Tages spurlos aus Annas Leben, obwohl sie seine große Liebe war? Was ist das Geheimnis des charismatischen und so undurchschaubaren Mannes, der ihr Vater ist? Und was ist der Grund für Annas Selbstmordversuch Jahrzehnte später? Je mehr Charlotte in die Geschichte ihrer Familie eintaucht, desto lebendiger wird für sie – und die Leser – auch die deutsche Nachkriegszeit, als die europäischen Völker einander als Feinde galten und in vielen Familien das Gespenst des Nationalsozialismus noch lebendig war.

Charaktere

Das Buch kommt mit wenig Charakteren aus: Anna, Charlotte und Jeremy. Es gibt zwar noch ein paar Nebencharaktere, aber eingehen möchte ich auf die drei.
Anna lässt mich leider zwiespältig zurück. Anfangs war sie die kleine, fast schon naive junge Frau, die trotz den Entbehrungen des Krieges immer noch das Positive im Leben sah, mir als Leserin auch noch eine "Spritzigkeit" vermittelte. Sie entwickelte sich aber zu einer einsamen Frau, die so gar nichts mehr von der früheren Anna hatte. Natürlich war Verständnis und Mitleid da für alles, was sie mit- und druchmachen musste, aber sie hat sich für meinen Geschmack zu sehr auf Jeremy fokussiert, nichts anderes in ihr Leben gelassen und so wurde das Buch gegen Ende hin für mich zu traurig.

Charlotte habe ich als eine scheinbar undankbare junge Erwachsene kennen gelernt, die aber insgeheim tief verletzt und sensibel war. Sie konnte einfach ihre Gefühle nicht zeigen. Eine wundervolle Aura hat sich für mich im Zusammensein mit Stefan, ihrem Freund, verteilt.

Zu Jeremy kann und möchte ich eigentlich gar nicht viel sagen. Er konnte mich nicht überzeugen. Schwach und bequem (ja, ich weiß, das war eine andere Zeit) hat er sein Leben verbracht. Warum hat er nicht nach Anna gesucht? Warum hat er nicht alle Hebel im Bewegung gesetzt, sie wiederzusehen?

Schreibstil

Federica de Cesco hat es mit ihrem wunderbaren, fast teilweise schon poetischen Schreibstil geschafft, Emotionen zu transportieren. Wenn ich auch mit dem beiden Protagonisten nicht richtig warm wurde, hat das Buch etwas in mir ausgelöst. Ich habe nicht so sehr mit den Charakteren mitgelitten und gefühlt, sondern sie hat mich angeregt, über mich selber nachzudenken. Wie hätte ich reagiert? Was hätte ich an Annas Stelle getan?
Das Buch hat mich traurig aufgewühlt zurückgelassen

Fazit
Eine etwas andere Liebesgeschichte, die mit stillen, unaufgeregten Worten auskommt.