Rezension

Eine verbotene LIebe im Nachkriegsdeutschland

Der englische Liebhaber - Federica De Cesco

Der englische Liebhaber
von Federica de Cesco

Bewertet mit 5 Sternen

Die junge Filmemacherin Charlotte kehrt anlässlich des bevorstehenden Todes ihrer Mutter Anna von Berlin nach Münster zurück.

Das Verhältnis der beiden Frauen ist unterkühlt und distanziert, denn Charlotte ist ein sogenanntes „Besatzungskind“. Anna hat in den Nachkriegsjahren, um ihre Familie zu erhalten, bei den Englischen Besatzern als Dolmetscherin gearbeitet und sich in einen der Offiziere, Jeremy Fraser, verliebt und ist prompt schwanger geworden. Noch bevor Jeremy die Scheidung von seiner englischen Frau vollziehen kann, wird er abkommandiert. Was Anna nämlich nicht weiß, dass für Jeremy, einem Geheimdienstoffizier des SIS, besondere Regeln des Fraternisierungsverbotes gelten.

Der beiderseitige Briefwechsel wird abgefangen und so muss Anna ihre Tochter ohne Vater aufziehen, im bigotten Nachkriegsdeutschland eine ziemliche Tortur für beide.

 

Erst 26 Jahre nach Jeremys Verschwinden gelingt es Anna ihren Geliebten ausfindig zu machen. Wird sich Jeremy wieder aus der Verantwortung stehlen?

 

Erst nach Annas Tod kommt Charlotte ihrer Mutter und Jeremy näher, findet sie doch in derem Nachlass Briefe, Tagebücher und Tonbandaufnahmen.

 

Meine Meinung:

 

Ich kenne fast alle Bücher der Autorin und ihren eindringlichen Erzählstil. Mit einfühlsamen und emotionalen Sätzen gelingt es ihr mühelos die Zeit nach 1945 in Deutschland wieder auferstehen zu lassen, ohne kitschig zu wirken. Der Kampf ums tägliche Überleben weicht den Schuldgefühlen an den Gräueln des Zweiten Weltkriegs beteiligt zu sein (die ewig Gestrigen ausgenommen).

 

Die Handlung selbst ist in zwei Erzählsträngen angelegt. Der eine spielt 1988 und der andere gibt, durch die Tagebucheintragungen Annas Situation ab dem Jahr 1945/46 wieder. Die Leser hungern und frieren mit Anna, können den Schrecken über die Niederlage Hitler-Deutschlands und die Angst vor der Zukunft hautnah miterleben.

 

Die historischen Hintergründe sind, wie wir es von der Autorin kennen, penibel recherchiert, zumal sie nahe an einer wahren Begebenheit aus ihrer eigenen Familie bleibt. Die Vorurteile, die unverheiratete Mütter und ihre Kinder ausgesetzt sind, lassen uns später Geborene ziemlich wütend werden.

 

Die Charaktere sind liebevoll gestaltet. Da ist zum einem Annas Herkunftsfamilie: Die Töchter, Linchen und Anna, sind nicht so geachtet, wie der einzige Sohn Manfred, der sich als strammer Nazi entpuppt und letztlich in Russland fällt. Während die meisten auf Hitler hereinfallen, hat sich Annas Mutter einen kritischen Geist bewahrt und trauert ihr Leben lang um ihre jüdische Freundin Nora Tannenbaum, der es nicht mehr gelingt aus Deutschland zu fliehen. Es ist keine Familie, die liebevoll miteinander umgeht. Das färbt auch auf Anna ab. Später wird sie ihre Verschlossenheit auch Charlotte gegenüber an den Tag legen, die mit schroffer Zurückweisung antwortet. Manchmal scheint Charlotte ohne Empathie zu sein. Ich denke, es ist schwierig Gefühle zu zeigen, wenn man selbst diese Erfahrung vermissen musste.

Auch Jeremys Charakter ist voller Ecken und Kanten. Er scheint tiefer Gefühle für Anna fähig, will sein bisheriges Leben aufgeben und mit ihr ein neues anfangen. Seine berufliche Situation als Geheimdienstmitarbeiter hält ihn bis zuletzt gefangen.

 

Fazit:

 

Ein historischer Roman, der unter die Haut geht. Gerne gebe ich 5 Sterne und eine Leseempfehlung.