Rezension

Stolz und Vorurteil aus der Sicht der Dienstboten

Im Hause Longbourn - Jo Baker

Im Hause Longbourn
von Jo Baker

Bewertet mit 4 Sternen

Janes Austens Roman „Stolz und Vorurteil“, in dem Elizabeth Bennet und Mr.Darcy nach vielen Irrungen und Wirrungen ihre gemeinsame Zukunft finden, ist weltberühmt.
Doch die Dienstboten im Hause Longbourn, dem Haus der Familie Bennet, werden so gut wie nie erwähnt. In Jo Bakers historischem Roman ist es einmal genau umgekehrt.
Sarah ist ein Dienstmädchen in Longbourn, das täglich hart schuften muss, denn die fünf Töchter der Familie wollen umsorgt und herausgeputzt werden. Durch den geringen Reichtum der Familie, gibt es neben Sarah nur noch Haushälterin Mrs Hill und ihren Mann sowie die junge Polly als Hilfe.
Während im Salon Heiratspläne geschmiedet werden, träumt Sarah von einem freien Leben und davon die Welt zu sehen, doch ihr Traum liegt in unerreichbarer Ferne. Dienstboten sind vom Wohl und Wehe ihrer Herren abhängig.
Mit dem Eintreffen von Mr.Bingley geraten nicht nur die Verkupplungsbemühungen von Mrs Bennet in Fahrt, auch der forsche  Hausdiener Ptolemy Bingley erregt Sarahs Aufmerksamkeit. Das Haus Longbourn bekommt weitere Verstärkung mit James Smith, dessen geheimnisvolles, zurückgezogenes Verhalten Sarahs Neugier und Gefühle weckt.
Nicht nur für die fünf Bennet-Töchter wird fortan alles anders, auch Sarahs Welt bekommt eine völlig neue Wendung.

Jo Baker hat sich mit einer Parallelhandlung zu Stolz und Vorurteil einer schwierigen Herausforderung gestellt, die ihr auch größtenteils gelungen ist.

Durch die Sicht der Dienstboten wird einem vor Augen geführt, dass Elizabeths Spaziergänge und die häufigen Abendbälle der Mädchen für Sarah wunde oder verbrannte Hände und müde Füße bedeuten. Auch die Schilderung von James‘ Erlebnissen war für mich sehr interessant, der Perspektivwechsel im betreffenden Abschnitt war jedoch sehr abrupt.

Die Darstellung des Lebens der Dienstboten ist der Autorin hervorragend geglückt und sie hat sympathische Charaktere geschaffen. Da ich Stolz und Vorurteil bislang nur als Verfilmung kenne, kann ich nicht näher beurteilen, ob die berühmten Romancharaktere gut getroffen sind, mir kam es aber bis auf den letzten Abschnitt so vor.

Jo Baker hat eine modernere Sprache gewählt, die sich gut lesen ließ und mit Jane Austen harmoniert. Das Erzähltempo ist durch die nahe Verknüpfung der Handlung allerdings auch sehr beschaulich. Dies ist einer meiner Kritikpunkte: Im überwiegenden Teil des Romans fehlen mir Schwung und ein paar Spannungsmomente in der Erzählung, während am Schluss große Zeitsprünge vorherrschen. Das Happy End wirkt etwas zu konstruiert.

Insgesamt ist die Wandlung von Sarah ausgehend von ihrem Traum zu einer Frau, die ihre eigenen Entscheidungen trifft und dazu steht, gut gelungen. Die überwiegende Zeit orientiert sich Jo Baker sehr eng am Original, andere Begebenheiten sind dazu erfunden, die beide Werke gut verknüpfen und ein authentisches historisches Bild abgeben.
Wenn ich einmal Jane Austens Originalwerk lesen werde, werde ich dabei auch an Sarah und die Dienstboten denken, die für mich nun mit der Handlung verknüpft sind.