Rezension

Tolles Buch :)

Der Sommer, in dem es zu schneien begann - Lucy Clarke

Der Sommer, in dem es zu schneien begann
von Lucy Clarke

Eva und Jackson sind total verliebt und seit ein paar Monaten glücklich verheiratet. Gemeinsam leben sie in einer kleinen Wohnung im Herzen von London. An einem stürmischen Wochenende Ende November besuchen die beiden Evas Mutter in Dorset. Früh am Morgen bricht Jackson auf zum Angeln und stürzt in den eiskalten Atlantik. Die Suche der Küstenwache mit Boot und Rettungshubschrauber bleibt jedoch erfolglos. Eva ist geschockt und voller Trauer. Der Schmerz nimmt sie vollständig ein und so lebt sie einfach ein paar Wochen vor sich hin, bevor sie sich auf den weiten Weg nach Tasmanien macht, in Jacksons Heimat. Sie möchte mehr über ihren Ehemann und seine Wurzeln erfahren, warum er so wenig Kontakt zu seiner Familie hatte und sie möchte endlich das Land kennen lernen aus dem er nach England geflüchtet ist. In Tasmanien trifft sie auf Jacksons Vater Dirk und seinen Bruder Saul. Beide sind alles andere als begeistert davon, dass Eva so plötzlich vor ihnen steht und wollen nicht wirklich etwas mit ihr zu tun haben. Doch Eva möchte endlich Antworten auf all ihre Fragen und lässt nicht locker. Immer tiefer gräbt sie sich in die Vergangenheit ihres Ehemannes und stößt auf mehr und mehr Ungereimtheiten, Geheimnisse und verstörende Wahrheiten. In dieser Zeit, wo sie sich so allein, verwirrt und hilflos fühlt, weiß sie nicht, wem und was sie glauben soll.

Mit Eva hat Lucy Clarke eine starke und bewundernswerte Frau erschaffen, die sich in der größten Krise ihres Lebens aufmacht um nach Antworten zu suchen. Sie fühlt sich allein, ein Leben ohne ihren geliebten Jackson kann und will sie sich einfach nicht vorstellen. Vielleicht reist Eva gerade deswegen nach Tasmanien um sich ihm dort näher zu fühlen. Ein Großteil der Geschichte erzählt sie aus ihrer Perspektive. Der Leser fühlt mit ihr. Er leidet mit ihr und ist zeitweise genauso hilflos und verwirrt. Doch Eva ist nicht allein. In schwierigen Situationen ist ihre beste Freundin Callie dabei, die für kurze Zeit in Melbourne arbeitet. Die beiden besuchen sich gegenseitig und Callie ist wie Rettungsanker für Eva, eine Schulter zum Ausweinen, ein Fels in der Brandung.

Doch auch Saul öffnet sich langsam und zeigt Eva die schönen Seiten von Tasmanien. Er versucht ihr so gut es geht beizustehen und gibt ihr ein paar Antworten, lässt jedoch viele Fragen auch absichtlich unbeantwortet. Mehr und mehr wird das zarte Band zwischen Saul und Eva etwas enger. Doch nachwievor bleibt es sehr zerbrechlich. Auch Saul kommt im Buch zu Wort und erzählt kurze Passagen aus seiner Sicht. Eine erfrischende Abwechslung, denn so erfährt der Leser, dass auch Saul ungeklärte Fragen mit sich rumträgt.

Ab und an gibt es am Ende eines Kapitels kursiv gedruckte Einschübe, die aus Jacksons Sicht geschrieben sind. Sie wirken, wie kurze Briefe, Kommentare oder Tagebucheinträge. Er versucht sich und sein Verhalten zu erklären. Die Autorin schafft damit noch eine weitere Perspektive, die mich leider nicht so überzeugen konnte, weil in meinen Augen der Eindruck entstanden ist, dass Jackson das Geschehen wie ein Geist kommentiert.

In "Der Sommer in dem es zu schneien beginnt" spielt auch die wunderschöne Landschaft Tasmaniens eine große Rolle. Als Leser spürt man förmlich die Faszination von Lucy Clarke, die mit sehr viel Liebe und Detailtreue eine fiktive Insel erschafft, die zwar ein reales Vorbild hat, jedoch für den Roman ein bisschen zusammengeschustert und ummodelliert wurde. Während des Lesens hatte ich immer wieder das Gefühl selbst dort am Strand zu stehen, die Brandung zu hören, durch das klare Wasser die Fische zu sehen und den Sand zwischen meinen Zehen zu spüren. Ihr Wissen über die einzigartige Natur dort und die vielen verschiedenen Meeresbewohner lässt sie spielend in die Handlung miteinfließen, sodass der Leser beim Lesen viel über die Geschichte und ähnliches erfährt.

Obwohl ich den Roman in weiten Teilen dann doch sehr vorhersehbar fand, hat er mich sehr berührt. Das Schicksal von Eva ist mir sehr nahegegangen. Ich habe viel mitgefiebert, ihr das Beste gewünscht und immer wieder den Kopf geschüttelt, wenn sie etwas erlebt hat, was sie wirklich nicht verdient hat. Der Showdown ist klasse und die Auflösung sehr gelungen. Aus den vielen kleinen Puzzleteilen bildet sich ein Ganzes und der Leser erinnert sich an Details, die er zwar gelesen, aber nicht wirklich wahrgenommen hat. Viele kleine Hinweise auf das Ende. Der Titel - perfekt gewählt. Und alles in allem ist die Geschichte logisch konstruiert. Viele Schachzüge, die mich dann doch überrascht haben.

"Der Sommer in dem es zu schneien begann" - traurig, schockierend, tiefgründig, aufwühlend, erklärend, emotional...so viel! In meinen Augen ein tolles Buch mit einem außergewöhnlichen, faszinierenden Schreibstil, der den Leser einfach mitreißt und abtauchen lässt in eine ganz andere Welt.