Rezension

Transatlantik

Transatlantik - Colum McCann

Transatlantik
von Colum Mccann

Bewertet mit 5 Sternen

"Wir erfahren nur selten, welches Echo unsere Handlungen haben, aber unsere Geschichten werden uns beinahe gewiss überleben."

Ein Satz, der, geschrieben in einem Brief von 1919, die Jahrzehnte überdauert, von Generationen weitergereicht und erst am Ende des Buchs, mittlerweile im Jahr 2011, geöffnet wird. Geschrieben wurde er von Emily, einer amerikanischen Journalistin, und mit dem ersten Transatlantikflug von Neufundland nach Irland befördert. Einer der Fäden, die Autor im Buch immer wieder von Amerika nach Irland und zurück spinnt. Mit diesem legendären Pionierflug von Alcock und Brown beginnt das Buch auch, und dieser Arthur Brown wird den Brief vergessen und ihn erst zehn Jahre später der Schreiberin zurück geben. Zeitlich geht der Roman aber noch weiter zurück, nämlich ins Jahr 1845. Ein einstiger afroamerikanischer Sklave, Frederick Douglass besucht zusammen mit seinem Buch und seinem Verleger Irland. Hier muss er erkennen, dass es zwar kein Sklaventum wie in Amerika gibt, die Menschen aber durch die große Hungersnot, die elenden Verhältnisse und die enormen Vermögensunterschiede zum großen Teil auch alles andere als frei sind. Der dritte historisch verbürgte Eckpunkt, sind die Verhandlungen zu einem Friedensabkommen im blutigen Nordirland-Konflikt, geführt vom ehemaligen Senator George Mitchell, die schließlich im Karfreitagsabkommen mündeten.

Um diese historischen Begebenheiten wird die fiktive Geschichte von vier Generationen Frauen kunstvoll geknüpft: Der jungen Irin Lily, die 1845 allein nach Amerika auswandert, ihrer Tochter, der oben erwähnten Emily, deren Tochter Lottie, einer Fotografin, die nach Irland zurückkehrt, und schließlich der Enkelin Hannah, die den weitervererbten Brief 2011 endlich öffnet.

Wie ein Mosaik zusammengesetzt, wie durch ein Kaleidoskop betrachtet, werden diese teils historischen, teils fiktiven Geschichten elegant zusammengesetzt und es entsteht ein überzeugend einheitlicher Roman. Er erzählt von der Suche nach Identität und Freiheit, von den Auswirkungen der großen Weltgeschichte auf das Leben der Frauen. Keine von ihnen bleibt unberührt von den großen Tragödien des 20. Jahrhunderts. Colum McCann fasst die Geschichten mit großer sprachlicher Meisterschaft. Ganz kurze, konzentrierte Sätze wechseln dabei mit durchaus poetischen. In einer Episode am Ende des Buchs besucht die englische Königin Elisabeth II. den Garten der Erinnerung in Dublin, angelegt für die vielen Freiheitskämpfer Irlands, ein symbolischer Besuch nach 100 Jahren. Wie ein Garten der Erinnerung ist auch dieses Buch, das nicht nur historische Ereignisse, sondern auch das Leben der Menschen stellvertretend dem Vergessen entreißt. Ein meisterhaftes Buch!