Rezension

Traurig-schöne Geschichte mit einem ernsten Grundthema

Die Worte der weißen Königin - Antonia Michaelis

Die Worte der weißen Königin
von Antonia Michaelis

Bewertet mit 4 Sternen

Kurzbeschreibung: 
Niemanden beneidet Lion mehr als die Seeadler, wenn er sie beobachtet, wie sie hoch am Himmel kreisen, so frei und glücklich. Bei ihm zu Hause in dem Dorf an der Ostsee gibt es nicht viel, auf das man neidisch sein könnte. Immer häufiger verwandelt sein Vater sich im Alkoholrausch in den gewalttätigen schwarzen König, der Lion misshandelt. Als er es nicht mehr aushält, flüchtet Lion in den Wald zu den Adlern. Doch das Leben dort ist hart und immer wieder denkt Lion an die weiße Königin, die alte Frau, die ihm einst so wunderbar vorgelesen hat. Durch sie hat er den Zauber der Worte, ihre Wärme und Kraft entdeckt... *Quelle*

Zur Autorin: 
Antonia Michaelis, Jahrgang 1979, in Norddeutschland geboren, in Süddeutschland aufgewachsen, zog es nach dem Abitur in die weite Welt. Sie arbeitete u.a. in Südindien, Nepal und Peru. In Greifswald studierte sie Medizin und begann parallel dazu, Geschichten für Kinder und Jugendliche schreiben. Seit einigen Jahren lebt sie nun als freie Schriftstellerin in der Nähe der Insel Usedom und hat zahlreiche Kinder und Jugendbücher veröffentlicht, facettenreich, fantasievoll und mit großem Erfolg. Der Märchenerzähler, ihr erstes Buch für junge Erwachsene, wurde für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert.

Meinung: 
Der kleine Lion wächst bei seinem Vater in einem Dorf in Ostdeutschland auf, nachdem die Mutter die beiden vor mehreren Jahren verlassen hat, um ihr Glück im Westen zu suchen. Lion liebt seinen Vater, der in einer Werft arbeitet und ihn viel in die nahegelegenen Wälder mitnimmt, um ihm die Natur näherzubringen.

Doch als der Vater seine Arbeitsstelle verliert, wird der Alkohol sein bester Freund und Lion immer öfter Opfer seiner Wut, die sich in Schlägen und Misshandlung seines Kindes ein Ventil sucht. Bald ist er nicht mehr der geliebte Vater, sondern für Lion nur noch der schwarze König, der sich des Vaters bemächtigt. Trost findet Lion in seiner Freundschaft zu einem Seeadler, den er zähmt, in seiner Schwester Olin und in den Worten der weißen Königin, einer älteren Dame, die jeden Samstag Kindern in der Kirche vorliest, bis er eines Tages beschließt, von zu Hause wegzulaufen.

Antonia Michaelis konnte mich bereits mit ihrem außergewöhnlichen Jugendroman Der Märchenerzähler begeistern. Deshalb war ich gespannt auf Die Worte der weißen Königin, das zwar auch sehr speziell ist, mich aber nicht ganz so sehr fesseln konnte.

Lion ist ein Protagonist, den man sofort in sein Herz schließt. Der kleine Junge wächst ohne Mutter auf, doch sein Vater ist anfangs noch sehr bemüht um ihn und versucht, ihm das Leben so schön wie möglich zu gestalten. Doch als er seine Stelle in der Werft verliert, greift er immer öfter zum Alkohol und wird gewalttätig gegenüber Lion. Immer brutaler werden die Schläge, sodass Lion nicht mehr zur Schule gehen kann und vom Vater sogar in den Keller eingesperrt wird.

Erst als ihm seine Schwester Olin erscheint, er die weiße Königin, eine ältere Dame, die Kindern Geschichten vorliest, trifft und einen Seeadler zum Freund gewinnt, wird Lion selbstbewusster und nutzt die Gelegenheit, von zu Hause wegzulaufen und ein autonomes Leben im Wald zu führen.

Antonia Michaelis kleidet die Geschichte um Lion in eine sehr poetische Sprache, sodass diese wie eine richtige Märchenerzählung anmutet. Obwohl es in der Handlung vor allem um Gewalt gegen Schutzbefohlene, Misshandlung dieser und Alkoholismus und seine Folgen geht, spielt auch Freundschaft und ein gewisses Ziel vor Augen eine tragende Rolle.

Der Roman besticht vor allem durch Antonia Michaelis' ungemein poetischen Schreibstil, mit dem sie bereits in Der Märchenerzähler brillierte. Auch dieser Jugendroman erzählt eine traurige Geschichte, die aber auch viele schöne Momente in sich birgt. Jedoch war mir hier der Märchen-Anteil, in dem sich die Realität etwas verliert, ein wenig zu hoch und das Ende auch nicht so ganz nach meinem Geschmack. Trotz dieser kleinen Mankos ist Die Worte der weißen Königin wiederum ein sehr spezieller und stilistisch ansprechender Jugendroman, den ich gerne gelesen habe.

Fazit: 
Wie schon Der Märchenerzähler ist Die Worte der weißen Königin eine traurig-schöne Geschichte mit einem ernsten Grundthema, das von Antonia Michaelis in poetische Worte und eine märchenhafte Erzählung gekleidet wurde, wenn auch das Ende Geschmacksache sein dürfte.