Rezension

Unbequem

Die Lichter unter uns - Verena Carl

Die Lichter unter uns
von Verena Carl

Bewertet mit 3 Sternen

Der Roman fängt ganz interessant an, vor allem, da Verena Carl eine wirklich schöne Sprache hat. Nicht lieblich, aber klar und ausdrucksstark. Passend zu dem, was ich mir von der Geschichte erwartet habe: Verena Carl lässt ihre Charaktere an dem Zweifeln was sie haben, lässt sie einen voreingenommenen Blick auf die Fassade anderer Menschen werfen, die immer beeindruckender ist, als das was dahinter steckt. Das macht sie allerdings anders, als ich es mir vorgestellt habe. Neben Anna und Alexander, die schon im Klappentext angekündigt wurden, kommen auch Alexanders Freundin Zoe und sein Sohn Florian zu Wort. Auch aus dem Blickwinkel von Annas Mann Jo wird kurz erzählt. Dafür, dass Annas Leben aufgewühlt werden sollte, ist das ganz schön viel Info von der „Gegenseite“. Die Geschichte um Alexander, Florian und Zoe hat mir letztlich aber sogar besser gefallen, als die um Anna und ihre Familie. Auch wenn es bei den Charakteren für mich durchweg keinen Sympathieträger geben wollte.

Was mich im Laufe der Geschichte immer mehr gestört hat, waren das Verhalten und die Weltsicht einiger Charaktere und die ständigen sexuellen Bezüge. Die mehrmals erwähnten wachsenden Brüste von Annas klammernder Tochter. Die ständigen Gedanken an Sex und ihre eigene Befriedigung vor allem der weiblichen Charaktere. Masturbation während Mutter oder wahlweise Ehemann sich im Nebenraum aufhalten oder Gedankengänge wie der, ob man sich nach dem Sex mit dem Partner damit „bestraft“ einen Tag mal nicht zu seinem Liebhaber zu gehen, fand ich sehr befremdlich und ärgerten mich mitunter unglaublich beim lesen.

Auch einige Details der Handlung habe mich gestört. Die Kinder sollen eine Flasche Wasser kaufen und gerade als sich die Eltern darüber unterhalten ob mehr Freiheit oder mehr Fürsorge wichtig ist, geht natürlich eines „verloren“. Und das sogar zweimal. Und beide male wird gänzlich Kopflos agiert. Und beide male war es doch nur falscher Alarm. Dass die Kinder morgens „ihre Bettlaken als lange Schleppen hinter sich her“ ziehen akzeptiere ich im Comic, aber nicht in einem Roman, der ernst genommen werden möchte.

Dann gab es aber auch wieder gute Stellen: Oft denkt man beim Lesen, dass es gleich zur Expolsion kommen muss. Aber es bleibt immer Ruhig. Sei es in den Beziehungen untereinander oder in der Umgebung: Wenn der Vulkan raucht, bricht er nicht aus. Oder die Hunde, die sich eben doch nicht gegenseitig anfallen. Gut gelingen ihr auch die Stimmung des Hochsommers, der sich langsam verabschiedet und das Urlaubsparadies einschlafen lässt oder der Charakter Alexanders.

Es gab zwar ein paar gute Ansätze und definitiv einen lesenswerten Schreibstil aber meins war der Roman insgesamt trotzdem nicht. Zu viele Gedanken, die mich geärgert haben, zu viele Störfaktoren in der Handlung. Wer aber Bücher mit unbequemem Personal mag, ruhig erzählte Geschichten die zum nachdenken anregen und die auch mal anecken mit ihrem Inhalt, der kann hier durchaus sein Glück versuchen.