Rezension

Unterhaltsam und mit wichtiger Thematik

Nordwestschuld -

Nordwestschuld
von Svea Jensen

Bewertet mit 4 Sternen

Für mich war der vierte Band der Kriminalromanreihe "Ein Fall für die Soko St. Peter-Ording" das erste Werk von Autorin Svea Jensen. Bereits seit dem im Februar 2021 bei HarperCollins erschienenen Auftaktband "Nordwesttod" schleiche ich um diese Reihe mit den atmosphärisch düsteren Covern herum und endlich hat sich die Gelegenheit ergeben, Anna Wagner bei ihren Ermittlungen über die Schulter zu schauen.

Da die interessante Story rund um die im Internet lauernde Gefahr der Love-Scamming-Betrugsmasche zwei gänzlich neue Fälle behandelt, ist die Handlung in sich geschlossen; somit ließ sich das Werk auch ohne Vorkenntnis gut lesen. Ich vermute allerdings, dass in den Vorgängerbänden der Fokus sicherlich stärker auf den Eigenheiten und privaten Hintergründen des Ermittlerteams lag als hier; daher könnte ich mir vorstellen, dass man beim chronologischen Lesen der Reihe nun gewiss einen noch intensiveren, näheren Eindruck der polizeilichen Charaktere hätte. Wer also Romane bevorzugt, in denen möglichst viele Details zum Privatleben der Ermittler:innen vorkommen, sollte in Sachen Soko SPO eventuell tatsächlich besser mit Band 1 starten.

Vielleicht bin ich diesbezüglich auch zu sehr an meine Cosy-Crime-Romane gewöhnt, in denen das Augenmerk meist hauptsächlich auf den Ermittlern liegt und der Kriminalfall irgendwie nebenher abläuft. Na, ein paar Einblicke in den Privatalltag konnte ich ja dennoch erhaschen, auch wenn ich Hendrik nicht um das Drama beneidet habe.

Der besorgniserregende Trend, dass immer häufiger Menschen – vornehmlich Frauen – Opfer von Internetbetrügern werden, macht mir richtig Angst. Man meint immer, so was gäbe es doch nur in Filmen, oder? Versteckte Kameras, dubiose und (dank stümperhafter Google-Übersetzung vor Fehlern wimmelnde Nachrichten in den sozialen Netzwerken à la Bitte-schicke-mir-ganz-schnell-Geld-ich-stecke-in-Schwierigkeiten … Zumindest im Hinblick auf Love Scamming scheint das Ganze viel zu kurios, als dass es sich tatsächlich regelmäßig so ereignen könnte (- verglichen damit ist beispielsweise das Stichwort Enkeltrick/Neffentrick immerhin schon ein recht gängiger Begriff –) … und doch passiert es ständig.

Einfach nur schlimm! Und auf gar keinen Fall möchte ich nun von jemandem hören: "Selbst schuld, wenn man so naiv ist. Wie kann man denn bitte auf so einen Mist hereinfallen?!" Nein! Erstens steht es niemandem zu, die Opfer zu verurteilen, zweitens kann ich mir durchaus vorstellen, dass sich viele Menschen heutzutage sehr einsam fühlen und empfänglicher für solche Betrügereien sind, als sie es andernfalls wären, und drittens: Ich hasse es generell, wenn die Gutmütigkeit eines Menschen ausgenutzt wird.

Dass diese ernste Thematik nun in Romanen Einzug hält, feiere ich daher total, insbesondere, wenn damit eine so gute Recherche wie hier einhergeht. Richtig cool (in stilistischer Hinsicht, wohlgemerkt - nicht die Tatsache an sich): Die eingestreuten Facebook-Betrugstexte sind keine Erfindung der Autorin, sondern real.

Mit dem Schreibstil war ich happy, er passt meines Erachtens genau zum Genre - nicht zu blumig und doch bildreich in Sachen Settingbeschreibungen und Lokalkolorit, authentisch in den Dialogen und zackig genug, um die Handlung voranzutreiben. Den Spannungsbogen habe ich als solide empfunden – nicht übermäßig nervenaufreibend, aber schon spannend. Hier und da gab es ein paar kleine Längen, dafür versöhnte mich das stimmige Ende und ich werde mir wohl auch die vorherigen Bände nach und nach vorknöpfen.

Fazit:

Ideal für Fans von Nordseekrimis! Ich muss sagen, ich bin positiv überrascht. Mein Lesejahr 2023 beinhaltet nun sogar ein Buch über die nigerianische Mafia. Wait, what?! Hätte ich so nicht erwartet. Diese Reihe behalte ich fortan auf jeden Fall auf dem Radar. Von mir gibt es eine zufriedene Leseempfehlung.