Rezension

Viel Lokalkolorit in krimineller Gesellschaftsstudie

Der Henker von Wien - Gerhard Loibelsberger

Der Henker von Wien
von Gerhard Loibelsberger

Oberinspector Nechyba hat es nicht leicht: nicht nur, dass durch den Krieg die Lebensmittel knapp sind, auch treibt ein brutaler Mörder sein Unwesen unter den Schwarzmarkt- und Schleichhändlern. Es sieht so aus, als wolle da jemand die Konkurrenz ausschalten. Und während Nechyba mit seinen Kollegen die Schlinge enger zieht, schaltet der Henker einen Mitwisser nach dem anderen aus. Wird es der Polizei trotzdem gelingen, ihn aufzuspüren?

Die Zeiten waren grausam und hart. Jedermann versuchte, sich irgendwie einen Vorteil zu verschaffen, auch wenn dieser illegal war. Die Kargheit der Mahlzeiten und die Freude über ein paar einfache Kartoffeln mit Butter lassen sich nach der Lektüre dieses Romans gut nachvollziehen. „Freunderlwirtschaft“ (den Begriff fand ich einfach zu passend in diesem Zusammenhang) war zur damaligen Zeit äußerst wichtig und bei manchen schon überlebensnotwendig.

Da gerät der ein oder die andere auf die schiefe Bahn und die Grenze zwischen Kriminalität und Legalität verschwimmen, und manch einer ist zu Handlungen fähig, die er ohne Krieg wahrscheinlich nie begangen hätte. Die Verzweiflung spürt man hautnah.

Besonders gut hat mir gefallen, dass etliche Dialoge im Wiener Dialekt geschrieben sind. Das gab dem ganzen Leseerlebnis zusätzliche Würze. Auch das Personenverzeichnis im vorderen sowie das Glossar im hinteren Bereich des Buches waren sehr hilfreich.

Man sollte diesen Roman aber nicht als Krimi lesen, in dem es vornehmlich um die Aufklärung der Morde geht. Obwohl er durchaus spannend ist. Vielmehr ist er eine Gesellschaftsstudie, die aufzeigt, zu was Menschen fähig sind (und sein müssen), wenn sie keinen Ausweg mehr sehen. Das kommt natürlich einigen wenigen zupass, die diese ausweglosen Situationen schamlos ausnutzen. Da ändern sich die Zeiten wenig. Aber gut, dass es immer noch jemanden gibt, der den Kampf aufnimmt, so wie Nechyba.

Wissensreiche und dramatische Gesellschaftsstudie zur Zeit des 1. Weltkriegs.