Rezension

Weniger romantisch als gedacht

Erste Liebe, zweite Chance
von Meg Cabot

Bewertet mit 3.5 Sternen

Das narrative Konzept ist Fluch und Segen zugleich: Durch die Verwendung von Mails, Handynachrichten, Zeitungsartikeln und Online-Bewertungen als Erzählform ist das Geschen zwar dynnamisch und man kommt wahnsinnig schnell im Roman voran, aber man wahrt auch eine gewisse Distanz zu den Figuren.

Von Meg Cabot kannte ich bisher nur Jugendromane, welche ich überwiegend positiv in Erinnerung behalten habe. Deshalb war ich umso neugieriger darauf, wie sich ihre Romane für ein erwachseneres Publikum lesen lassen. Dieses Buch allerdings in die Finger zu bekommen, war eine kleine Odyssee, deren Details ich an dieser Stelle auslasse. Meine Freude darüber, es endlich in den Händen halten zu können, war entsprechend groß und floss sicherlich auch unbewusst zu Beginn in mein Leseerlebnis mit ein. Die erste positive Überraschung war der Stammbaum der Familie Stewart vor dem eigentlichen Beginn der Geschichte. Wenngleich die Zahl der relevanten Personen nicht sonderlich groß war und das Beziehungsgeflecht keineswegs die Komplexität eines Jane-Austen-Romans erreicht hat, war es doch hilfreich für den Einstieg, da man dadurch bereits einen Überblick über die Charaktere bekommen hat. Weiterhin gefiel mir der Aufbau der Geschichte bzw. deren Erzählform. Die Ereignisse werden über Mails, SMS/WhatsApp-Nachrichten, Zeitungsartikel, Produktrezensionen (welche mir als einzige völlig unpassend erschienen, denn was dadrin stand schreibt man einfach nicht in eine Produktbewertung) und Interviewtranskripte vermittelt. Die Vorteile daran waren erstens, dass man rasend schnell im Roman vorankam, zweitens, dass das Geschehen dadurch sehr dynamisch war, und drittens, dass multiple Perspektiven zur Verfügung standen. Für mich persönlich hatte das aber auch den Nachteil, dass mir das Geschehen gelegentlich zu episodenhaft anmutete und eine gewissen Distanz zu den Charakteren bestand, da einem dadurch Details wie etwa Gestik und Mimik größtenteils verwehrt blieben. Die wesentlichen Persönlichkeitsmerkmale sind jedoch sehr gut dargestellt worden, weshalb ich ein recht klares Bild von allen Charakteren bekommen und mich aufgrund der meist recht spritzig geschriebenen Unterhaltungen gut unterhalten gefühlt habe.

Möglicherweise liegt in der Darstellungsform auch die Ursache begründet, warum mich die Liebesgeschichte zwischen Reed und Becky nicht recht berührt hat. Das heißt keineswegs, dass es nicht niedlich gewesen wäre, wie die zwei wie unsichere Teenager umeinander herumgeschlichen sind, aber mir fehlte auch etwas Feuer bzw. waren mir die Schilderungen ihrer gemeinsamen Momente nicht ausreichend emotional aufgeladen. Wie gesagt, glaube ich, dass es daran lag, dass sie den "Filter" eines Mail-/Nachrichten-Austauschs durchlaufen haben. Denn welche SMS oder WhatsApp-Nachricht kann schon eins zu eins die Bandbreite von Gefühlen wiederspiegeln?

Zum Glück gab es abgesehen von der Liebesgeschichte aber noch ein weiteren Handlungsschwerpunkt: das merkwürdige Verhalten von Reeds Eltern, das ihn überhaupt erst zur Rückkehr in seine Heimatstadt bewegt hat. Die Frage, warum Reeds Eltern in dieser misslichen Lage landen konnten, hat mich deutlich mehr beschäftigt und angesprochen als die amourösen Verwicklungen. Bis zu einem gewissen Punkt war ich in Bezug auf die Ursache ihres Bankrotts ziemlich ahnungslos. Auch wenn ich unbewusst einen Verdacht gehegt hab, war ich von der Auflösung doch relativ erschüttert. Allerdings wurde mir dieser Aspekt zu kurz abgehandelt. Für meinen Geschmack hätte es durchaus noch etwas mehr böses Blut geben können.

Fazit

Die Erzählform ist Stärke und Schwäche des Romans zugleich: Er ist leicht und angenehm zu lesen und aufgrund der multiplen "Erzählstimmen" sehr abwechslungsreich. Dennoch stellte die Vermittlung über Mails und Handynachrichten eine Hürde dafür dar, mich emotional auf die Charaktere einzulassen. Die Liebesgeschichte konnte mein Herz leider nicht erweichen, allerdings hat das Rätsel um den Bankrott der Stewarts dieses Manko größtenteils wett machen können.

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