Rezension

Wenn aus Feinden Freunde werden

Don't kiss Tommy. Eine Liebe in der Stunde Null -

Don't kiss Tommy. Eine Liebe in der Stunde Null
von Theresia Graw

Bewertet mit 5 Sternen

Stunde Null in Bad Oeynhausen. Der Krieg ist zu Ende und ich begleite drei junge Frauen in die neue Zeit. Annes Eltern haben vor dem Krieg ein angesehenes, traditionsreiches Hotel geführt. Der Hotelbetrieb  kam in den Kriegsjahren zum Erliegen. Nun ist Anne davon überzeugt, dass sie das Hotel in kurzer Zeit wieder eröffnen und zu neuem Glanz führen kann. Ihre Schwester Iris ist mit einem überzeugten Nationalsozialisten verheiratet. Rosalie stammt aus ärmlichen Verhältnissen. Sie erhofft sich eine sorglose Zukunft an der Seite  eines englischen Soldaten. Doch was kümmern die Sieger die Träume der Besiegten. Die Innenstadt von Bad Oeynhausen wird kurzerhand zum britischen Hauptquartier erklärt und die Einwohner müssen ihre Häuser räumen.
Anne und Iris finden Unterkunft in einer Baracke. Rosalie wird von Helmut und dessen Vater auf deren Bauernhof aufgenommen. Nun geht es darum , zu überleben. Das Leben aller drei Frauen erfährt durch die britische Besatzung eine völlig neue Richtung und Träume erfüllen sich, wenn auch anders als erwartet.
Mich hat das Thema des Romans gereizt. Was hat die Stunde Null für die Betroffenen bedeutet ? Die Autorin bringt mir diese Zeit lebendig und anschaulich näher. Durch die drei Frauen lerne ich unterschiedliche Blickwinkel auf die damaligen Ereignisse kennen.
Besonders berührt hat mich Rosalie, die sich ein besseres Leben erhofft und bitter enttäuscht wird. Ich habe sie dafür geliebt, dass sie nie aufgibt, sich zwar beugt, aber nicht brechen lässt. Dass sie  ihren Platz im Leben findet und auch Glück, hat mich deshalb von Herzen gefreut . Anne hatte von den dreien die am höchsten fliegenden Ziele. Um so größer ist ihre Wut und Verbitterung, als die Engländer ihr Hotel in Besitz nehmen. Als sie durch Zufall eine Stelle als Übersetzerin in der Militärverwaltung erhält, verändert sich ihre Sichtweise. Iris blieb für mich blass. Vielleicht lag es daran, dass ihr Ehemann die Szenen mit ihr beherrscht. Er war und bleibt ein überzeugter Nazi. Um so mehr hat mich ihre Entscheidung überrascht, denn so viel Mut hätte ich ihr nicht zugetraut.
Auch die Natur trägt ihren Anteil zur großen Not bei. Ein Hochwasser setzt Teile der Stadt und landwirtschaftlichen Flächen unter Wasser. Der Winter ist besonders hart und der Sommer zu trocken, was zu Ernteausfällen und zu einer Verschärfung der Versorgungslage führt. Wie sich die Menschen gegen diese Schicksalsschläge stemmen und versuchen zu überleben, war sehr emotional. Mein Respekt vor der Leistung der Betroffenen und dem Bemühen der Militärregierung ist gewachsen. Dabei unterhält der Roman auf das beste und nach all dem Schrecken und Entbehrungen gibt es das wohl verdiente Happyend.