Rezension

Wenn das Leben dir Zitronen gibt, macht Limonade daraus: Die Odyssee eines sizilianischen Zitrusfruchthändlers

Terra di Sicilia. Die Rückkehr des Patriarchen -

Terra di Sicilia. Die Rückkehr des Patriarchen
von Mario Giordano

Bewertet mit 5 Sternen

In dem Roman „Terra di Sicilia“ begleiten die LeserInnen den Zitrusfruchthändler Barnaba Carbonaro auf seiner Heldenreise vom bettelarmen sizilianischen Bauernjungen zum erfolgreichen Patriarchen. Seine Odyssee erstreckt sich vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis ins München der 1960er Jahre und erzählt, wie er es trotz aller sozialen und finanziellen Hindernissen schafft, sein Handelsimperium gegen die Konkurrenz zu behaupten.
Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen. Zum einen berichtet er von Barnabas Kindheit und Jugend auf Sizilien zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Als Erwachsener beginnt er dann, seinen Zitrusfruchthandel aufzubauen und allmählich zu Wohlstand zu gelangen, gerät dabei aber immer wieder in politische und persönliche Wirren, die seinen Werdegang erschweren. Doch trotz aller Rückschläge lässt sich Barnaba nicht zurückschrecken und weitet seinen Handel bis nach Deutschland aus. Dorthin kehrt er 1960 als Patriarch in den Schoß seiner Familie zurück, um sich den Geistern seiner Vergangenheit zu stellen und letzte Rechnungen zu begleichen. Barnabas Werdegang gleicht in vielen Punkten der Odyssee eines antiken Helden, der am Ende in den heimatlichen Hafen einläuft, um dort seine Bestimmung zu erfüllen. Auch wenn die Götter seine Geschicke leiten mögen, nimmt Barnaba dennoch das Ruder selbst in die Hand und wird so zu einem beeindruckenden Protagonisten in diesem Roman.
Anfangs mag die Fülle an Personen und sich oft gleichenden Namen verwirrend erscheinen und man muss erst etwas in die Geschichte hineinfinden. Doch dann packt die rasante Biografie mit ihren abwechslungsreichen Charakteren, bildhaften Sprache und der ereignisreichen Handlung. Der Erzählstil erinnert teilweise an den Stil antiker Mythen, da es wiederkehrende Reflexion über den Gang des Lebens, den Einfluss der Götter und das Schicksal gibt, die wie ein Refrain wirken. Auch andere Motive und Anspielungen auf die griechische Mythologie werden in den Roman eingeflochten, sodass alles bis zuletzt sehr stimmig wirkt und die LeserInnen in einen ganz eigenen Kosmos zwischen Fiktion und Realität gefangen hält. Barnabas Lebensgeschichte gleicht also in vielen Punkten einer antiken Heldenodyssee. Der Autor siedelt Barnabas Biographie zwar authentisch in die historische Zeit des 19. und 20. Jahrhunderts an, vermischt diese aber mit fiktiven Elementen, die beim ersten Lesen sogar etwas verwirren können. So haben mich die Geister, die Barnaba immer wieder verfolgen, sein Leben beeinflussen und mit denen er Zwiesprache hält, irritiert und ich wusste sie nicht recht einzuordnen. Doch akzeptiert man den Roman als eine Mischung aus Wahrheit und mythischer Fiktion fügt sich alles in ein stimmiges Bild und man erlebt auf mitreißende Weise, wie der sizilianische Zitrusfruchthändler die Steine, die das Schicksal ihm in den Weg legt, zu beseitigen weiß, um bis zum Ende seines Lebens die Geschicke der Götter zu seinen Gunsten zu nutzen. Ganz nach dem Motto: Wenn das Leben dir Zitronen gibt, mach Limonade daraus!
Und auf eine Fortsetzung des Romans darf gehofft werden, denn im München der 1960er Jahre wird Barnabas Handelsimperium an die nächste Generation übergeben und das lässt auf neue Helden (oder Heldinnen?) -geschichten hoffen!