Rezension

zugedröhnt und obdachlos durch die Hamptons

Die Einladung -

Die Einladung
von Emma Cline

Bewertet mit 5 Sternen

Die junge attraktive Alex, 22 Jahre alt und Luxus Escort Girl, wird vom reichen Simon, der doppelt so alt ist wie sie, in sein Anwesen auf die Hamptons eingeladen. Die Hamptons, das ist die Sommerresidenz einer superreichen Elite auf Long Island nahe New York, einer eingeschworenen exklusiven Gesellschaft.  

Alex hofft, mit der Einladung ein Teil dieser Welt werden zu können. Das erweist sich als Trugschluss. Simon setzt Alex nach knapp zwei Wochen vor die Tür. Fortan geistert Alex, meist zugedröhnt mit Schmerzmitteln, Alkohol und sonstigen Drogen, obdachlos durch die Hamptons. Sie ist auf der Suche nach Übernachtungsmöglichkeiten, um sechs Tage bis zu einer Party zu überbrücken, die Simon am Labour Day geben wird. Sie ist überzeugt, Simon wird sie, sobald sie auf der Party erscheint, wieder aufnehmen.

Bis zum Rausschmiss ist der Aufenthalt von Alex in Simons Villa  mit Pool und Strandzugang  äußerst  behaglich und luxuriös. Sie wird mit Designermode und teurem Schmuck verwöhnt und steht Simon uneingeschränkt sexuell zu Diensten. Allerdings klaut sie hin und wieder Gegenstände und dem Leser wird klar, Alex ist ein Luxus Escort Girl mit Tendenz zur Kleinkriminellen.  

Der Roman wird aus Alex' Perspektive erzählt. Ihr Blick auf die Superreichen ist verachtend und neidvoll, ohne jegliche Empathie. Sie will nur eins: Dazugehören. Der Pool, der Strand, die zahlreichen Zimmer in den Villen, ausgestattet mit Kunst, hochwertigem Mobiliar, Bettwäsche, Handtücher, Kleidung, alles rein gewaschen, wie die Nahrung und Getränke alles teuer und im Überfluss vorhanden.

"Es waren bescheuerte Dinge, einzeln betrachtet, aber zusammengenommen waren sie ein überzeugender Ersatz für ein Leben. Ein Leben, wo Leid keinen Platz zu haben schien, wo etwas wie Schmerz oder Unglück zu zerfasern begann und weniger wahrscheinlich wirkte." Das ist das Leben, das Alex haben will. Zwar erkennt sie, dass auch diese Welt nicht schmerzfrei ist. Sie will dennoch Einlass, der Preis: Totalanpassung,  totale Selbstverleugnung und Abhängigkeit von Schmerzmitteln aller Art.

Eine eigene Identität scheint Alex nicht zu haben, sie ist keine "echte" Person, es gibt viele Versionen ihrer selbst. Über ihren Werdegang erfährt der Leser fast nichts. Bislang hat sie sich als Callgirl, mit Diebstählen und Betrügereien über Wasser gehalten. Immer auf der Suche nach einem gut situierten Mann, der sie aushält. Sie hat eine untrügliche Antenne für die Stimmungen der jeweiligen Gesellschaft, in der sie sich gerade befindet, und der sie sich wie ein Chamäleon anpassen kann. Meistens zum Nachteil dieser Menschen, die sie skrupellos auszunutzt.  

Alex ist eine Figur, mit der man sich nicht identifiziert, geschweige denn mit der man sympathisiert. Das Faszinierende an diesem Roman ist, dass man Alex' Trip durch die Hamptons dennoch gefesselt, ja gebannt verfolgt. Alex Weg wird unterhaltsam, aber nicht trivial beschrieben. Die Autorin beschreibt zwischenmenschliche Schwingungen sehr genau. Wie verändert sich eine Mimik, eine Gestik, was löst welche Handlung beim Gegenüber aus ? Das weiß Alex genau und wird von der Autorin nuanciert dargestellt.  Darüberhinaus blickt der Leser gespannt auf das luxuriöse Leben der Superreichen, wo diejenigen, die nicht dazu gehören, dezent vom Platz gewiesen werden. Und  Alex gehört keinesfalls dazu, denn sie fällt nicht zuletzt dadurch auf, dass sie ohne Kick, ohne Thrill nicht existieren kann. Das zumindest scheint Teil ihrer Persönlichkeit zu sein. Die Totalanpassung hat insofern ihre Grenzen. Sie eckt immer wieder an.

Wen soll der Leser nun mehr verachten: die Superreichen mit ihrer exaltierten, privilegierten Lebensart, ihren verwöhnten, überbehüteten Kids und luxusverwahrlosten Teenagern oder Alex, die auch kein Engel ist, ganz und gar nicht.  

Mir hat dieser Roman außerordentlich gut gefallen. Die farbenreiche Beschreibung dieses wohl wunderschönen Landstrichs, der Dünen, des Meeres, des Sommers dort, der Villen und Gärten hat mich fasziniert. Dazu im krassen Gegensatz stehend: verlorene Seelen auf beiden Seiten. Auf Alex' Seite  und auf der Seite der in ihrer closed community Lebenden, wobei die Verlorenheit aufseiten der Letzteren wohl keine existenzielle ist. Man kann den Roman als Gesellschaftskritik sehen, was aber m. E. durch die ambivalente Darstellung der Alex nicht ganz passt. Der Roman ist vor allem eins: sehr gute Unterhaltung !

Ich vergebe 5 Sterne und eine Leseempfehlung.