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Community-Interview mit Rebecca Gablé, Cover und Foto der Autorin vor silbernem Hintergrund

Interview

Community-Interview mit Rebecca Gablé

Im Rahmen unserer Leserunde zu „Das Haupt der Welt“ hattet ihr die Gelegenheit, Fragen für ein Community-Interview mit Rebecca Gablé einzureichen. Die Autorin hat nun sehr ausführlich geantwortet und gibt dabei auch einen Ausblick auf die kommenden Projekte.

Hallo Frau Gablé! Warum haben Sie sich für den – wie ich meine – ersten Roman, der kein "englisches Setting" hat, gerade diese Zeit und diesen Ort ausgesucht? Für die meisten LeserInnen dürfte das auch eher geschichtliches Neuland sein (Frage eingereicht von PMelittaM).

Ich wollte meinem Publikum – und mir selbst – mal etwas über das deutsche Mittelalter erzählen, und da schien es mir sinnvoll, mit dem Anfang der „deutschen Geschichte“ im engeren Sinne zu beginnen, die oft bei Otto I. bzw. seinem Vater festgemacht wird. Das war aber nicht nur aus erzähl-chronologischen Gründen naheliegend, sondern auch, weil ich die Figuren, die diese Epoche geprägt haben, ganz besonders spannend fand. Die Ottonen, ihr machtpolitisches Wirken und ihre Familiendramen gehören für mich zu den faszinierendsten Kapiteln mittelalterlicher Geschichte, und ich fand es einfach zu schade, dass sie vielen Menschen kaum bekannt waren.

Allgemeine Fragen

Wie sieht ein ganz normaler Arbeitstag bei Ihnen aus? (Maryann Flamel)

Den gibt es nicht, denn meine Arbeitstage sind sehr unterschiedlich. Wenn ich ganz am Anfang eines neuen Projektes stehe, verbringe ich den Großteils des Tages mit dem Lesen von Fachliteratur. Manchmal bin ich auch tage- oder wochenlang auf Recherchereise.

Ein "Schreibtag" beginnt in der Regel irgendwann am späten Vormittag und kann durchaus vierzehn Stunden oder auch mal länger dauern. Im Laufe dieser Zeit neige ich dazu, schiefe Türme aus Büchern und Ordnern mit kopiertem Material zu errichten und mich damit nach und nach einzumauern. Aber ich bin nicht so unorganisiert, wie es dann um mich herum aussieht, denn mein System funktioniert inzwischen ziemlich gut, und ich finde meistens schnell, was ich noch mal nachlesen will. Wenn es richtig gut läuft, schreibe ich bis zu zehn Seiten am Tag.

Wie gehen Sie einen solchen Roman an? Wie aufwändig betreiben Sie Recherche und wie entwickeln Sie eine Vorstellung vom Charakter der historischen Personen? (Giselle74 & Bücheraxt)

Wenn ich ein Thema für einen neuen Roman ausgewählt habe, besorge ich mir aus meiner alten Uni-Bibliothek bzw. im Internet die Fachliteratur dazu und lese mich ein oder zwei Monate lang ein, bis ich das Gefühl bekomme, einen halbwegs brauchbaren Überblick zu haben. Dann beginne ich mit der Planung der Romanhandlung und der Figuren und fange auch schon bald an zu schreiben, wobei die Recherche eigentlich bis zur letzten Minuten weitergeht, weil ich oft erst beim Schreiben merke, wo noch Wissenslücken sind, oder die Erzählung manchmal auch unerwartete Wendungen nimmt, die ganz neue Rechercheansätze erfordern.

Das Bild vom Charakter der historischen Figuren findet sich in der Regel in dieser ersten Recherchephase und setzt sich aus zwei Aspekten zusammen: Was hat diese Figur getan? Wie haben die Zeitgenossen – sprich: die Chronisten – diese Taten bewertet? Die große Herausforderung dabei ist und bleibt, das Handeln der Menschen von vor 1.000 Jahren nicht nach unseren gesellschaftlichen oder moralischen Grundsätzen zu beurteilen, sondern nach ihren eigenen.

Wie schaffen Sie es, eine historische Figur zum Leben zu erwecken? Haben Sie dabei mitunter auch schon einmal Angst, der Person eventuell nicht gerecht zu werden oder sie gar zu verfälschen? (Maryann Flamel)

Ich schreibe zu jeder Romanfigur – egal ob fiktiv oder historisch – ein Dossier. Je nach Wichtigkeit der Figur sind sie unterschiedlich lang, aber sie enthalten alle eine Biografie (auch über die Zeit vor der Romanhandlung), äußere Erscheinung, Gewohnheiten und eine Persönlichkeitsstudie. Wenn das Dossier fertig ist, kenne ich die Figur ganz genau, sie ist in meiner Phantasie eine reale Person geworden, und ich muss praktisch nur noch aufschreiben, was sie tut. Angst, einer historischen Person nicht gerecht zu werden oder „Unwahrheiten“ über sie zu behaupten, darf man dabei nicht haben und muss man m.E. auch nicht haben, und zwar aus zwei Gründen:

1. sind auch die historischen Figuren im Roman letztlich nur das: Romanfiguren. In dem Moment, da ich sie fiktionalisiere, ihnen Worte in den Mund lege und Motive andichte, habe ich mich von den historischen Fakten (falls es dergleichen denn überhaupt gibt) entfernt.

2. Die möglicherweise geschädigten historischen Personen sind alle schon seeeehr lange tot. Wenn ich in meinem Bemühen, sie so nah wie möglich an der Realität zu rekonstruieren, einen Fehler mache und ihnen Unrecht tue, ist ihnen das furchtbar egal. Das ist einer der großen Vorteile daran, über eine Epoche zu schreiben, die schon so lange zurückliegt. Wäre z.B. die Geschichte des 20. Jahrhunderts mein Thema, wäre diese Problematik allgegenwärtig.

Über welchen historischen Zeitraum haben Sie bislang am liebsten geschrieben? (Maryann Flamel)

Über alle. Ich suche mir die Epochen ja aus, weil ich sie spannend finde, und bislang hat mich jede auf ihre Weise gleichermaßen gefesselt.

Welche Hauptfigur aus Ihren Romanen ist Ihnen rückblickend am meisten ans Herz gewachsen? (Maryann Flamel)

Jonah Durham aus Der König der purpurnen Stadt.

Wie war das, als Sie Ihren ersten Roman geschrieben haben? Was waren die prägendsten Erfahrungen als damaliger Autorenneuling? (Leseloewin)

Oh, schwierige Frage ;-) Da war ich so ungefähr fünfzehn. Der Roman ist nie fertig geworden und hat natürlich auch nicht viel getaugt, aber ich glaube, das größte Faszinosum, das für mich das Schreiben zur Sucht gemacht hat, war damals schon dasselbe wie heute: Die Wirklichkeit zu verlassen und vollkommen in eine Welt einzutauchen, die ich selbst erschaffen habe.

Hallo Frau Gablé! Wenn Sie privat lesen, welche Titel und welches Genre bevorzugen Sie dann? (MissRose1989)

Ganz unterschiedlich. Meine Top 5 der letzten 12 Monate waren Joyland von Stephen King, Die Helen-Trilogie von Preston und Child, Ein ganzes halbes Jahr von Jojo Moyes, Sunset Park von Paul Auster und Winter der Welt von Ken Follett.

Was war bislang Ihre schönste, interessanteste, verrückteste und/oder erschreckendste Begegnung mit einem Fan? (Maryann Flamel)

Da kommen im Laufe der Jahre natürlich einige Erinnerungen zusammen, aber die verrückteste Begegnung war wohl in Leeds Castle in Kent, wo ein Leser aus Hamburg mit Die Hüter der Rose in der Hand unterwegs war, um zu versuchen, die Szenen im Buch, die dort spielten, genau im Gebäude und den Parkanlagen zu verorten. Wir haben das dann zusammen gemacht – weitgehend mit Erfolg!

Wie geht es weiter?

Hallo Frau Gablé! Nach der Lektüre von »Das Haupt der Welt« würde mich interessieren, ob auch hier, ähnlich wie bei den Waringhams, Fortsetzungen geplant sind, um die weitere Geschichte zu erzählen? (PMelittaM)

Ja, das habe ich vor. Die Ottonen und das deutsche Mittelalter überhaupt bergen noch viele faszinierende Geschichten und Menschen, von denen zu erzählen sich lohnt.

Können Sie schon verraten, in welche Richtung Ihr nächstes Projekt gehen wird? Wird es wieder ‚etwas Englisches‘ – oder werden Sie sich nun weiter an der deutschen Geschichte orientieren? (DWatson)

Mein nächster Roman wird nochmals nach Waringham und in die englische Renaissance führen und von Elisabeth I. und ihren berühmt-berüchtigten Piraten erzählen.

Wir danken Rebecca Gablé an dieser Stelle ganz herzlich für die ausführlichen Antworten – und natürlich auch dem Bastei Lübbe Verlag, der die Leserunde und das Interview möglich machte!

Die Leserunde zum Nachlesen findet ihr hier.

Artikel eingestellt von: +Torsten Woywod

Das Haupt der Welt

Kommentare

Kaddi kommentierte am 09. November 2013 um 12:42

Es wird noch einen Waringham-Roman geben?! Ich dachte, nach dem Vierten, der ja eigentlich gar nicht mehr geplant war, ist endgültig Schluss. Aber wie cool :D. Ich liebe Elisabeth I.

Fornika kommentierte am 09. November 2013 um 12:45

Sehr interessantes Interview, vielen Dank dafür! Manche Sachen wusste ich schon, andere nicht...

Goldstück90 kommentierte am 09. November 2013 um 13:53

Danke für dieses interessante Interview! Ich liebe historische Romane. Da ich selbst Geschichte studiere, finde ich solche Romane am besten die gute recherchiert sind und man sich eben gut vorstellen könnte, dass es wirklich so und so gewesen sein könnte. Solche Romane machen Geschichte lebendig. Das schaffen nicht viele, aber Ken Follett und Rebecca Gable. Da bin ich einfach jedes Mal begeistert und ihr neues Buch werde ich mir auch bald anschauen!

PMelittaM kommentierte am 09. November 2013 um 14:18

Sehr informatives Interview. Ich freue mich schon sehr auf den neuen Waringham (hatte mir sehr einen mit Elisabeth I gewünscht) und weiter Romane zur deutschen Geschichte.

feee kommentierte am 09. November 2013 um 17:22

Vielen Dank für das interessante und informative Interview, hat super viel Spaß gemacht es zu lesen :)

Akantha kommentierte am 09. November 2013 um 21:02

großartig! tausend dank für das interview! ich liebe rebecca gablé! hab leider nicht mitbekommen, dass fragen gesammelt werden, sonst hätte ich auch sofort mitgemacht.

das haupt der welt habe ich noch nicht gelesen und stehe dem ein wenig skeptisch gegenüber (ich favorisiere bislang das englische mittelalter). dennoch werde ich es mir anschauen (v.a. wenn es da noch weitergehen wird). dass ein neuer waringham kommt...ich könnte ausrasten vor freude! das ist so wunderbar! v.a. mit elisabeth I. - sie war so eine besondere frau! ich kann es kaum abwarten! total uninteressante frage: wird das cover dann lila oder wie ^^?

Leseloewin kommentierte am 10. November 2013 um 00:03

Auch ich möchte mich bei Frau Gable für das interessante Interview bedanken und dass sie meine Frage so ausführlich beantwortet hat.

Maryann Flamel kommentierte am 10. November 2013 um 10:54

Was für ein tolles Interview :) Da sind erstmal alle interessanten Fragen geklärt :) Besonders das Autorenleben hatte mich interessiert :)

Freue mich schon sooooooooooooo auf einen neuen Waringham-Roman! :)

Vielen vielen Dank an Rebecca Gablé :)

coala kommentierte am 10. November 2013 um 11:59

Auch von mir lieben Dank für die Zusammenstellung der Fragen und die Veröffentichung des Interviews!!! Sehr interessante Antworten und Einblicke in das Leben und Werk von Frau Gablé. :)

Chimiko kommentierte am 10. November 2013 um 14:13

Ich lese die letzte Antwort von Frau Gablé und muss spontan einfach nur 'Ja!' sagen. Da freue ich mich schon drauf (obwohl ich noch nicht einmal das aktuelle Buch gelesen habe - ist aber noch ein absolutes Muss).

 

Ein tolles interessantes Interview!