Rezension

Atmosphärisch, ambivalent, berührend

Kleine Dinge wie diese -

Kleine Dinge wie diese
von Claire Keegan

Bewertet mit 4 Sternen

Bill Furlong hat sich ein gutes Leben aufgebaut. Sein Betrieb versorgt die Leute zuverlässig mit Kohlen und Brennholz, seine fünf Töchter gedeihen gut und anders als bei einigen seiner Nachbarn ist zumindest genug Geld für das Nötigste da. Bill hat Glück gehabt, denn trotzdem seine Mutter unverheiratet schwanger wurde, hat ihre Arbeitgeberin sie nicht vor die Tür gesetzt, sondern sie mit dem kleinen Jungen bei sich aufgenommen und Bill eine relativ sorgenfreie Kindheit ermöglicht. Als uneheliches Kind einer katholischen Mutter hätte es für ihn – und sie – auch ganz anders aussehen können. Beispielsweise hätte man sei beide in eine sogenannte Magdalenen-Wäscherei stecken können, in der „gefallene“ Mädchen zu harter Arbeit gezwungen wurden. Ähnliche Gerüchte hört man über die Mädchen im Kloster, das Bill beliefert. Aber eigentlich will niemand so genau wissen, was hinter den dicken Mauern passiert. Bis eine Begegnung dort Bill auf eine harte Probe stellt.

Claire Keegan ist mit Bill Furlong eine grundsympathische Figur gelungen. Mitfühlend, liebevoll und dankbar erfreut er sich an den kleinen Dingen des Lebens, ist aber genauso wenig frei von Zweifeln und Grübeleien. Wo andere Ungerechtigkeiten mit „selber Schuld“ abtun reagiert er mit Empathie und lässt seine Kunden lieber anschreiben, als sie frieren zu sehen.

Hier ist kein Wort zu viel. Keegan schubst den Leser mit ein paar Worten in eine Richtung und das Kopfkino geht los. Ihre Erzählung ist schön und traurig zu gleich. Die Ambivalenz macht sie so spannend: Einerseits ist es schön und heimelig; es ist Weihnachten, Lichter werden entzündet, es gibt Kakao und Lebkuchen, es wird gebacken und Weihnachtsgeschenke werden besorgt. Aber gleichzeitig wird auch die herrschende Armut angesprochen, die harte Arbeit, die einem kaum einmal eine Pause gönnt, die bittere Kälte des Winters und das Wegschauen der Leute, die doch eigentlich gerade ein Fest der Nächstenliebe feiern.

Auch besticht der kurze Roman mit seiner Atmosphäre. Fast meint man, man liest einen Klassiker. Vielleicht auch, weil seine Botschaft so zeitlos ist: Seht nicht weg, tut das Richtige.

„Kleine Dinge wie diese“ ist ein hübscher wie berührender Einblick in einen mir bisher unbekannten Teil irischer Geschichte, der mal gemütlich und mal gänzliche unbequem daherkommt. Eine Autorin, die man sich merken sollte!