Rezension

Atmosphärische Gruselgeschichte mit einigen Schwächen

Gallant -

Gallant
von V. E. Schwab

Bewertet mit 3 Sternen

Olivia Prior lebt in einem Waisenhaus, da sie nicht sprechen kann, wird sie von den anderen Mädchen meistens gemieden, auch von den strengen Gouvernanten geht keinerlei Zuneigung für ihre Schützlinge aus. Als eines Tages ein Brief von Olivias Onkel eintrifft, der das einsame Mädchen auf den Familienwohnsitz einlädt, hofft sie auf eine bessere Zukunft, doch ihre Ankunft in Gallant wird von den Hausbewohnern eher skeptisch betrachtet. Olivias Cousin Matthew zeigt sich sogar unverhohlen abweisend, gleich am nächsten Morgen soll sie wieder abreisen. Olivia allerdings, die bereits im Heim Geister sehen konnte, will bleiben und mehr über ihre Eltern herausfinden, ganz besonders seit sie im Haus dem Ghul ihrer Mutter begegnet ist.

"Gallant" von V. E. Schwab hat mich anfangs recht schnell in seinen Bann gezogen, bereits nach wenigen Sätzen formten sich in meinem Kopf Bilder von Olivia und ihrem trostlosen Leben in dem Waisenhaus (das ich zeitlich immer noch nicht ganz einordnen kann, denn besonders im Heimalltag schien die Zeit irgendwo im 19. Jahrhundert stehen geblieben zu sein, dennoch gab es bereits Autos, die aber scheinbar noch nicht allzu verbreitet waren). Olivia habe ich gemocht, trotz mangelnder Kommunikationsmöglichkeiten - niemand im Waisenhaus hatte sich die Mühe gemacht, die Gebärdensprache zu lernen - fand sie immer wieder Wege, sich auszudrücken. Alle anderen Figuren hier sehe ich eher als Hintergrundgestaltung an, für meinen Geschmack hätten sie etwas umfassender beschrieben sein dürfen. Auch über die Bewohner Gallants habe ich nur exakt so viel erfahren, wie für den Fortgang der Handlung vonnöten war, so dass ich keine wirkliche Bindung zu den Personen aufbauen konnte.

Den Schreibstil der Autorin kenne ich bereits aus einem ihrer anderen Werke und auch dieses Mal fand ich die atmosphärische, teilweise etwas poetische Erzählweise durchaus fesselnd. Allerdings hat mich das Buch eher an eine Gruselgeschichte für Jugendliche erinnert, als an einen Fantasyroman, es gab einige Dinge (auch im übersinnlichen Bereich), die einfach als gegeben hin gestellt waren. Das Ausbleiben von späteren Erklärungen oder Auflösungen hat meinen Eindruck, dass die Geschichte für eine jüngere Zielgruppe gedacht sein könnte, noch verstärkt. Das Ende kam überraschend plötzlich, von diesem knapp abgehandelten Finale war ich entsprechend enttäuscht. Mit ca. 350 Seiten war das Buch nicht so umfangreich, dass ein paar Seiten mehr für den Abschluss den Rahmen gesprengt hätten, meine (zugegeben recht hohen) Erwartungen, die ich an die Autorin hatte, konnte der Roman daher leider nicht erfüllen.

Fazit: Wenn man die Geschichte von Anfang an als jugendlichen Gruselroman ansieht und nicht, wie beworben, als Fantasy, kann man besonders durch den wundervoll atmosphärischen Schreibstil durchaus gut unterhalten werden. Lediglich das schnell abgehandelte Finale hat das Lesevergnügen meiner Meinung nach deutlich geschmälert.