Rezension

Berechtigter Bestseller oder Zeitverschwendung?

Shades of Grey 01 - Geheimes Verlangen - E L James

Shades of Grey 01 - Geheimes Verlangen
von E L James

Bewertet mit 3 Sternen

Anastasia Steele, eine Literaturstudentin in ihrem Abschlussjahr, lernt bei einem Interview den vermögenden Christian Grey kennen, zu dem sie sich sofort hingezogen fühlt. Doch der Unternehmer hat gewisse Neigungen, die Ana gleichzeitig abstoßen und neugierig machen.

 

Als Ana Christian begegnet und sofort eine gewisse Spannung zwischen ihnen beiden spürt, ahnt sie noch nicht, was sich hinter seiner Fassade verbirgt. Denn er ist nicht nur ein stinkreicher Geschäftsmann, sondern hegt auch eine besondere Vorliebe in Bezug auf Sex. Ana, in dieser Hinsicht als Jungfrau vollkommen unerfahren, ist verwirrt von ihren Gefühlen für den „Kontrollfreak“. Einerseits fühlt sie bei ihm das lang ersehnte Kribbeln, auf das sie für ihr erstes Mal gewartet hat. Andererseits ist er ihr auch unheimlich und sie schreckt vor der Art zurück, wie er sie für sich einzunehmen versucht.
Doch zumindest anfangs ist ihre Faszination für ihn weitaus stärker…

 

Über DEN Bestseller des Jahres 2012 wurde bereits viel geschrieben. Und kein anderes Werk der letzten Zeit polarisiert wie Shades of Grey. Die einen zerreißen es förmlich in der Luft, parodieren und kritisieren es auf teilweise wirklich sehr amüsant-sarkastische Weise. Die anderen bejubeln es, loben es in den höchsten Tönen und überschlagen sich regelrecht vor Begeisterung für die gesamte Trilogie.
Vielleicht ist es eine Frage der Erwartungshaltung. Shades of Grey ist keine hohe Literatur. E. L. James ist auch keine sprachlich begnadete Autorin, deren Formulierungen einen in ihrem Einfallsreichtum völlig umhauen. Die Handlung und die Figuren bieten nichts überraschend Neues, das man noch nirgendwo gelesen hat. Die Story und die Charaktere sind nicht frei von Klischees und der überall angepriesene harte und unglaublich erotische Sex übertrifft ebenso wenig das, was bisher auf diesem Gebiet veröffentlich wurde.

 

Aber irgendwas muss die Geschichte an sich haben, dass sie sooft gekauft und gelesen wurde. Es fällt schwer, das Buch aus der Hand zu legen, selbst wenn sich bestimmte Floskeln immer wieder wiederholen und die dargestellte Welt des Christian Grey zu perfekt wirkt, um wahr zu sein. Man erwischt sich sogar, dass man mit der Protagonistin mitfiebert und –leidet, trotz der Tatsache, dass man ihre Naivität und Schüchternheit nicht teilt. Gefördert wird das dadurch, dass alles aus ihrer Sicht geschildert wird. Aus dieser Perspektive gesehen sind so manche Negativpunkte verständlich. Wirklich harte BDSM-Szenen sollte man sich nicht erhoffen. Schließlich wäre das für eine Jungfrau, noch dazu für eine unsichere Person wie Ana, höchstwahrscheinlich zuviel des Guten. Außerdem macht gerade das den Konflikt des Buches aus: Sie scheut vor Christians sexuellen Gelüsten zurück, vor seinem Kontrollwahn und seinem Wunsch, über alles und jeden nach Belieben zu verfügen. Sie dann mitten rein zu werfen und die ganze Palette des Sadomaso erleben zu lassen, wäre unter den Umständen nicht annähernd realistisch und ließe auch keinen Raum mehr für die Liebesgeschichte und Anas Gefühlschaos.
Und der Schreibstil, so unbeholfen und wenig abwechslungsreich er ist, unterstützt dabei die Charakterisierung der Hauptheldin auf seine Weise.

 

Shades of Grey wurde in den Medien so sehr gehypt, dass allein das für viele abschreckend ist. Man fragt sich unwillkürlich, ob all das nicht viel zu sehr übertrieben wird und man lediglich auf eine Marketinglüge reinfällt, sollte man das Buch wirklich kaufen. Es gibt objektiv gesehen genügend Gründe, die dagegen sprechen, es zu erwerben: Ein simpler Plot, ein einfacher Schreibstil, viele Klischees und nicht halb so skandalös, wie Presse und Fernsehen einem glauben machen wollen. Aber E. L. James hat es nicht aufgrund, sondern trotz all dieser Kritikpunkte geschafft, eine so breite Leserschaft anzusprechen. Scheinbar berührt sie etwas in einem, dass selbst Leser mit Vorbehalten die Story bis zum Ende lesen müssen. Bei all den Kritiken und dem übertriebenen Lob wird Anas innerer Konflikt, den sie in Bezug auf Christian austrägt, fesselnd erzählt.
Es ist kein literarisches Meisterwerk, allerdings weiß es zu unterhalten, wenn man sich nicht allzu sehr auf die Negativpunkte versteift.