Rezension

Bleistiftskizze bringt kein Silber hervor.

Schwarz und Silber - Paolo Giordano

Schwarz und Silber
von Paolo Giordano

Bewertet mit 3 Sternen

Italienische Autoren haben einen besonderen Zungenschlag, genau so wie die französischen. Paolo Giordano ist melancholisch in seiner Schreibweise und erinnert mich ein wenig an Cesare Pavese; bezeichnenderweise sind beide Turiner, ob der eine ein wenig Vorbild für den anderen war? Könnte sein! Sprachlich hätte mich Giordanos neuer Roman abgeholt, aber inhaltlich war ich nicht hingerissen: Wie sagt der (nicht weiter wichtige) Arzt im Roman sinngemäß: Eine Krebsgeschichte ist wie die andere.

Ein ausgezeichneter Stil trifft auf eine recht kümmerliche Geschichte, starke und schwache Säfte mischen sich, was ist das Resultat?

Der Autor Paolo Giordano, der das von vielen liebgewonnene Buch „Das Geheimnis der Primzahlen“ geschrieben hat, bezieht sich mit „Schwarz und Silber“ auf die Säftelehre des griechischen Gelehrten Galenso „Das Schwarz der Melancholie und das Silberne der Fröhlichkeit zeichnen den Ich-Erzähler des Buches und seine Frau aus und geben dem Buch seinen Titel,“ sagt der Klappentext.

Davon finde ich viel zu wenig im Text. Was ich finde, sind zwei sich kreuzende spärliche Geschichten, die der Haushälterin Anna, genannt Babette oder Signora A. und ihres früh verstorbenen Gatten Renato, deren gegenseitige Beziehung mich im übrigen überhaupt gar nicht interessierte, und die eines Ehepaars, bestehend aus dem Ich-Erzähler, einem Wissenschaftler, passenderweise Physikdozent, seiner egozentrischen Ehefrau Nora plus dem mathematikschwachen Kind Emanuele, was begreiflicherweise eine herbe Enttäuschung für den Herrn Papa ist. 

Das Ehepaar ist modern und löst die besonders in Italien noch fest gefügte Vorstellung eines natürlichen Rollenverständnisses von Mann und Frau solange fröhlich für sich auf, bis eine schwierige Schwangerschaft die Übernahme der gängigen Konventionen durch die Haushälterin, Signora A., notwendig machte. Als Jahre später Signora A. an Krebs erkrankt, einer schleichenden Krankheit, die erst im fortgeschrittenen Stadium erkennbar ist und selten erfolgreich behandelbar, tritt zu Tage, dass auch die Ehe der Protagonisten an einer schleichenden Krankheit leidet: der Entfremdung. Noch behandelbar?

Die Sprache ist gewählt und schön, die Geschichte jedoch mehr skizziert als ausgeführt, es bleibt einfach zu vieles bloß angerissen, deshalb ergibt sich auch nur ein schmales Bändchen. Bei so vielen Konflikten auf einmal, wie Nähe und Distanz, emotionale Abhängigkeiten versus Leugnung, einseitigen Enttäuschungen, Erziehungsfragen, Loyalität, Treue, Gleichgültigkeit, Liebe, Tod, Leiden und Einsamkeit bietet der Auto zu wenig inhaltliche Substanz. Ein paar schöne Sätze hie und da reichen zur Deckung der Geschichte nicht aus. Zudem weiß die Geschichte nicht, wohin eigentlich, sich zentrieren auf die Krankheitsgeschichte oder doch auf die Eheproblematik? Charaktere und Story bleiben zugunsten von Bonmots  weitgehend auf der Strecke.

Es reicht allemal, um in die Kategorie „Gehobene Literatur“, die Königsklasse zu kommen, aber dafür bleibts auch bei drei Punkten.

Fazit: Zu viel Bleistift statt satt koloriertem Schwarz und Silber.

Kategorie: Gehobene Literatur // Verlag: Rowohlt, 2015

 

Kommentare

Naibenak kommentierte am 15. Oktober 2015 um 09:09

Sehr informative, tolle Rezi! Vielen Dank, Wanda, das Buch braucht somit nicht unbedingt auf meinen Wunschlistenstapel ;)