Rezension

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Das dunkle Geheimnis einer Familie

Das verschlossene Zimmer
von Mascha Vassena

Bewertet mit 4 Sternen

Trotz ihrer Brückenphobie reist Lena nach Venedig, um die Familie ihrer Mutter kennenzulernen. Doch im labyrinthischen Palazzo der Orlandis kommt es zu unheimlichen Vorfällen: Weshalb kennt Lena sich im Palazzo so gut aus? Woher kommen die Schreie, die nachts durch die Gänge hallen? Lena lässt sich nicht einschüchtern und entdeckt eine tragische Wahrheit, die in den dunklen Wassern der Stadt verborgen liegt ...

Über dreißig Jahre lang hatte Lenas Mutter Gabriella keinen Kontakt mehr zu ihrer italienischen Familie. Nun erhielten Mutter und Tochter einen Brief von einem Notar aus Venedig. "banca privata Orlandi", Lenas Recherche im Internet hatte sie fassungslos gemacht und so stellt sie ihre Mutter zur Rede. Die Familie besaß eine Privatbank. Der Brief ist die Ladung zur Testamentseröffnung des verstorbenen Ermano Orlandi.
Doch Gabriella läst sich von ihrer bevorstehenden Reise nicht abbringen und untersagt ihrer (volljährigen) Tochter, Ende November den Termin wahrzunehmen.
Zitat:
"Diese Familie macht einen kaputt, stellina, sie ist wie ein polpo mit Fangarmen. Ich habe mich da herausgewunden, weil ich ein anderes Leben wollte, als mein Vater für mich vorgesehen hatte. Wenn ich das nicht getan hätte, hätte ich nicht deinen Vater geheiratet, und dich gäbe es nicht."
(S. 7)

Klare Ansage.
Doch der Gedanke nach Venedig zu reisen, lässt Lena nicht los. Was steckte hinter dieser Familiengeschichte? Wenn da nur nicht ihre Brückenphopie wäre.
Venedigs Straßen bestehen ja hauptsächlich aus Kanälen und man kann sie nur über Brücken überqueren. Lena erinnert sich an das Ereignis vor knapp fünf Monaten. Danach hatte sie sich von ihrem langjährigen Freund Alexander getrennt.
Die Handlung beginnt im Spätherbst 2014 in München und springt im zweiten Kapitel sogleich 34 Jahre zurück nach Venedig.

Das Aufeinandertreffen der ihr unbekannten Verwandten in Italien verläuft zunächst unkompliziert. Lena soll sogar im Palazzo wohnen. Wer keinerlei Vorstellungen von diesen großen Gebäuden hat, hier gibt die Autorin einen detaillierten Blick in das Innere,  authentisch und bildlich vorstellbar. Man spürt förmlich die dumpfe Atmosphäre, die Feuchtigkeit des Wassers von dem Canale. All das ist ein guter Background für eine Romanhandlung.
Das Geheimnis der Familie Orlandi und warum ihre Mutter damals Italien verließ, Lena will Antworten. Die Idee hinter dem Buch gefiel mir und ich war gespannt, was mich erwartete. Die Geschichte baute sich langsam auf, die Rückblenden in die Vergangenheit sind im Prinzip die Geschichte in der Geschichte.

Bei ihren Charakteren setzt die Autorin auf charmante als auch widerspenstige Personen. Obwohl ich von Anfang an eine Verbindung zu einzelnen Protagonisten hatte, konnte mich das Buch nicht von Beginn an überzeugen. Erst ab einem gewissen Abschnitt hat mich die Geschichte gefesselt, und die Autorin sorgt für etliche Überraschungen, womit ich fast gar nicht gerechnet hatte.

Spannend, teils dramatisch sorgt "Das verschlossene Zimmer" um ein dunkles Familiengeheimnis für angenehme Lesestunden.