Rezension

Die dunklen Geheimnisse der Familie Orlandi

Das verschlossene Zimmer
von Mascha Vassena

Bewertet mit 4 Sternen

Lena weiß nichts über die Familie der Mutter. Gabriella blockt auch jetzt wieder ab, als ein Brief eines Anwaltes aus Venedig eintrifft. Als sie dann zu ihrem Mann nach Afrika reist, sieht Lena die Chance mehr über die Familie zu erfahren. Zunächst stöbert sie in den Sachen der Mutter herum und findet das Foto und das Armbändchen eines Babys namens Lucia. Da Lena das höchst mysteriös findet, fährt sie nach Venedig. Doch Venedig und ihre Brückenphobie passen gar nicht zusammen, Lena hat große Schwierigkeiten. Doch sie findet den Palazzo der Familie Orlandi. Sie wird von ihrer Verwandtschaft zwar aufgenommen, doch nur ihre Cousine Vittoria ist erfreut. Beim Abendessen ist Onkel Vincenzo nicht dabei, weil er sich in der Reha befindet. Gabriellas Schwester Beatrice und deren Tochter Celestine samt ihrem Mann Riccardo wirken mehr als unterkühlt. Die Angestellte Maria reagiert auch sehr merkwürdig, als sie erfährt, wer Lena ist.

Neben diesem Gegenwartsstrang erfahren wir nach und nach, was in der Vergangenheit im Hause Orlandi geschehen ist. Gabriella und Beatrice hatten nie ein gutes Verhältnis, denn Gabriella wurde von ihrem Vater vieles nachgesehen und Beatrice war verrückt vor Eifersucht. Doch dann hatte es Gabriella zu weit getrieben und wurde aufs Land verbannt. Beatrice hatte nun ihre Chance und blühte auf. Sie lernt Vincenzo kennen und kurz vor deren Hochzeit kommt Gabriella zurück.

Das Buch lässt sich angenehm flüssig lesen. Es gibt so viele Fragen, die sich einem beim Lesen stellen und peu à peu werden sie alle beantwortet. Beatrice hat sich den Regeln und Werten der Großmutter unterworfen, sie nie in Frage gestellt und will, dass sich die gesamte Familie diesen Regeln unterwirft. In diesem Umfeld ist sie zu einer schwer gestörten Frau geworden, die engstirnig und gefühllos ist und nicht davor zurückschreckt, einem kleinen Kind etwas anzutun. Das kann natürlich nur zu Konflikten mit ihrer lebensfrohen und etwas leichtsinnigen Schwester Gabriella führen. Diese Protagonistinnen und auch alle anderen Charaktere sind gut und authentisch dargestellt, selbst über manche Schwäche konnte ich hinwegsehen. Lena blieb mir aber immer ein bisschen fremd, da ich einige ihrer Verhaltensweisen nicht so nachvollziehen konnte. Ihre Neugier auf die Familie kann ich ohne Weiteres nachempfinden, man möchte seine Wurzeln schließlich kennenlernen, auch wenn man dann feststellt, dass es nicht passt. Aber sie geht das ein bisschen halbherzig an, denn sie zeigt kein Interesse an dem Vater von Gabriella. Vittoria wäre vielleicht einiges erspart geblieben, hätte Lena mehr auf ihr Gefühl gehört. Dass sie Beatrice nicht wenigstens zur Rede stellt als ihre Erinnerungen wieder präsent sind, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Schön war es, dass Lena in Luciano, den sie in Venedig kennenlernt, einen Menschen hat, der sie unterstützt.

Die Familiengeschichte ist sehr spannend, denn immer wieder ergeben sich Wendungen, die so nicht zu erwarten waren und mich auf falsche Spuren brachten.