Rezension

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Die Liebe strömt wie das Meer, unendlich, außergewöhnlich und unergründlich!

Zeit der wilden Orchideen - Nicole C. Vosseler

Zeit der wilden Orchideen
von Nicole C. Vosseler

Bewertet mit 5 Sternen

Singapur um 1840. Das Tor zu den Schätzen Asiens. Ein Magnet für Schiffe und Menschen aus aller Welt. Hier lebt Georgina nach dem Tod ihrer Mutter weitgehend sich selbst überlassen. Im üppig wuchernden Garten am Meer kann das Mädchen mit den veilchenblauen Augen umherstreifen und ihre Einsamkeit eine Zeit lang vergessen. Eines Tages findet sie dort einen verletzten Jungen: Raharjo, der dem Volk der Orang Laut angehört, den „Meeresmenschen“. Wie vom Schicksal gelenkt, kreuzen sich ihre Wege über Jahrzehnte hinweg immer wieder, und diese Liebe, die nicht sein darf, verändert nicht nur ihrer beider Leben für immer ...

Die junge Georgina lebt behütet auf dem Anwesen der Familie. Doch nach dem frühen Tod ihrer Mutter hatte sich der Vater immer mehr in der Arbeit verkrochen und kaum Zeit für sie. So wuchs sie in der Obhut der Bediensteten auf. Eines Tages findet Georgina in dem ziemlich abseits gelegenem Pavillon im Park einen verletzten Jungen und pflegt ihn heimlich. Raharjo gehört dem Volk der Orang Laut, den „Meeresmenschen“ an. Seine Verletzungen hatte er sich wohl bei einem Kampf auf See zugezogen und war über Bord gefallen.

Obwohl beide aus verschiedenen Nationen entstammen, sind sie sich nicht fremd. Eine unbekannte Vertrautheit herrscht zwischen den beiden Kindern.

Zitat S. 23:

Das Flüstern des Regens war verstummt. Die zarten Bänder aus Licht, die sich von draußen hereinstahlen, malten ein wechselhaftes Muster auf das Gesicht des Mädchens und ließen ihre Augen aufleuchten. Und er begriff, was an diesen Augen so seltsam war.

»Nila, flüsterte er. Saphir.

Allerdings trennen sich ihre Wege, als es Raharjo gesundheitlich wieder besser geht. Um Georgina die nötige Schulbildung und den Schliff für die Gesellschaft zukommen zu lassen, schickt der Vater das Kind nach England zu seiner Schwester. Bei ihrer Rückkehr ist sie eine junge Frau, den Kinderschuhen entwachsen. Und sie trifft Raharjo wieder. Aus ihrer Seelenverwandtschaft, ihrer Zuneigung zueinander, wird Liebe. Doch die gesellschaftlichen Grenzen sind ganz klar, zu groß ist der Standesunterschied zwischen beiden. Georginas und Raharjos Geschichte spielt um 1840, zu dessen Zeitraum Singapore zwar noch eine junge, aber sehr aufstrebende Kolonie ist. Der Leser erfährt sehr viel zur Geschichte und die einmalig, wunderbar beschriebenen Landschaftsbeschreibungen erzeugen Kopfkino. So manches, was evtl. früher im Geschichtsunterricht an einem vorbeigeplätschert war, hier wird es wieder neu erweckt und macht richtig Laune, das Buch zu lesen. Aber nicht nur das. Die Liebe zwischen Georgina und Raharjo bleibt nicht ohne Folgen und sie wird schwanger. Der Rettungsanker für sie ist Paul Bigelow, der seit geraumer Zeit beim Vater lebte. Er hatte sich Hoffnung auf Georgina gemacht und will sie nun nicht mit der Schande leben lassen. Sie heiraten und genau am Tag ihrer Hochzeit taucht Raharjo auf, der es inzwischen zu einem wohlhabenden Mann gebracht hat.

Eine Liebe, die nicht sein darf.

Eine Liebe, die alle Brücken überwindet, doch wie viel kann sie aushalten?

Es ist ein Wechselband der Gefühle, durch das nicht nur die geschaffenen Figuren gehen, nein der Leser erlebt sie ebenfalls „live“ mit,

Georgina und Raharjo, ein gutes halbes Jahrhundert dürfen wir sie begleiten. Eine Geschichte, in die uns die Autorin mit ihrem neuesten Werk entführt.

Man lebt mit den Protagonisten, geht als unsichtbarer Geist an ihrer Seite mit, atmet die Gerüche der Stadt, hört das Rauschen des Meeres und das Singen der Vögel. Eine verzauberte Welt der Fantasie, zu deren Eintritt es nicht viel braucht: Man muss all seine Sinne öffnen.

Das Herzblut der Autorin steckt auch in dieser Geschichte.