Rezension

Die Welt möchte getäuscht werden, also sei sie getäuscht

Original Meisterfälscher - Noah Charney

Original Meisterfälscher
von Noah Charney

Bewertet mit 5 Sternen

»Jeder bekannte Fall von Fälschung ist ein fesselndes Amalgam aus dem ausgeprägten Bedürfnis nach Ruhm, Geld, Rache, Macht und genialem Selbstausdruck. Kunstfälschung lotet und nützt den Kunstmarkt aus und integriert Talent, Betrug, detektivische Nachforschungen, forensische Wissenschaften und ein gutes Maß an Geheimnis. Der Grund: Die Kunstwelt vertraut nach wie vor über weite Strecken auf die Kompetenz Einzelner - Kenner, deren subjektive Meinung den Preis eines Objekts beträchtlich verändern kann. Die unbestreitbaren technischen Fähigkeiten vieler Fälscher verblüffen die Öffentlichkeit ebenso wie die Raffinesse des Betrugs, die Fälschungen variabler Qualität so überzeugend macht.«

Fälschungen faszinieren – das merkte ich ganz deutlich bei der Lektüre dieses Buchs. Völlig überrascht war ich von der Fülle an Informationen, die ich hier bekam! Nie zuvor war mir bewusst gewesen, was Fälschungen eigentlich für eine lange Geschichte haben. 

»Zu allen Zeiten wurde Kunst kopiert, falsch zugeschrieben und gefälscht. Echt oder nicht echt war bereits im antiken Rom ein Thema, da echte griechische Gefäße höher geschätzt wurden als römische Plagiate. Im Mittelalter florierte entlang der Pilgerwege der Handel mit falschen Reliquien. Die Geschichte der Kunstfälschung ist so alt wie der Kunsthandel.«

 

Das Buch eröffnet mit einem Zitat Dürers von 1511 – er litt sehr unter Fälschern. Was treibt diese Meisterfälscher eigentlich an? Geht es um Geld? Um Ruhm? Ich will hier nicht vorgreifen, aber es gibt weitaus mehr mögliche Motive und umfangreich und hochinteressant geschrieben werden sie hier abgehandelt.  

 

Der Leser lernt berühmte Fälscher kennen, liest Geschichten, die manchmal so abenteuerlich klingen, als wären sie für einen Hollywood-Streifen erdacht worden. Ausführlich wird dargelegt, wie überaus kompliziert so eine richtig gute Fälschung ist und wie raffiniert Meisterfälscher vorgehen – und damit schon so manche Expertenkommissionen getäuscht haben. Eric Hebborn, einer dieser Meisterfälscher, veröffentlichte ein Buch namens „Kunstfälschers Handbuch“, das in vielen Fälscher-Werkstätten gefunden wurde und beispielsweise detaillierte Schritt-für-Schritt Rezepte enthält, wie man Bilder um Jahrhunderte altern lassen kann.

 

Auf der Gegenseite gibt es modernste Techniken zur Bestimmung und Untersuchung der Echtheit. Da stößt man dann auf Begriffe wie „Chromatografie“, „Massenspektrometrie“, „Dendrochronologie“ und viele andere. Angenehm für den Leser: Im Text wird nur eine kurze Erläuterung gegeben, die ausreicht, um den Sachverhalt zu verstehen. Detaillierte Informationen kann man, wenn man möchte, dem angehängten „Glossar wissenschaftlicher Testmethoden“ entnehmen.

 

Der Lesefluss wird also nicht gebremst, die Geschichte mancher Fälschungen war richtig spannend und das Buch hatte, trotz vieler Sachinfos, für mich keinerlei Längen. Neben Fälschungen von Gemälden und Skulpturen wird auch auf literarische Fälschungen oder auf wirklich ungewöhnliche Dinge wie Weinfälschungen eingegangen, reichlich Bildmaterial vervollständigt das Ganze.

 

Kritiker und Experten kommen so manches Mal nicht gut weg. Wer vor dem Lesen noch keine Zweifel an Expertenmeinungen hatte, wird dies mit ziemlicher Sicherheit hinterher haben! Überhaupt ist es interessant, wie verschieden doch im Vergleich zu anderen Verbrechen die öffentliche Meinung zur Kunstfälschung ist... 

»Kunstfälschung scheint kein besonders bedrohliches Verbrechen zu sein und fordert auch keine Opfer (oder wenigstens nur sehr reiche Opfer, von denen Fälscher und Medien unterschwellig meinen, sie würden es ohnehin verdienen, hinters Licht geführt zu werden). Also betrachtet man einen solchen Kriminellen als geschickten Tunichtgut, teils Illusionist, teils Scherzbold, als einen jedenfalls, der klarmacht, dass der Kaiser (in diesem Fall die Kunstwelt) keine Kleider trägt. Die Gefängnisstrafen fallen milde aus und das Interesse der Öffentlichkeit ist groß, sodass es durchaus wert scheint, ein, zwei Jahre mit geringster Sicherheitsstufe abzusitzen, um dann als eine Art Volksheld mit Aussicht auf eine lukrative Karriere wieder aufzutauchen.«

So mancher Fälscher hat von seiner Entlarvung regelrecht profitiert! Besonders faszinierend fand ich den Fall eines Fälschers namens Hans van Meegeren, der als Nazi-Kollaborateur galt, vor Gericht stand, weil er angeblich nationales Kulturgut der Niederlande (ein Gemälde von Jan Vermeer) an Hermann Göring verkauft hatte und der der Todesstrafe nur entgehen konnte, indem er vor Gericht gestand, den Vermeer selber gemalt zu haben. Da man ihm nicht glauben wollte, musste er den Beweis antreten und während des Prozesses ein Kunstwerk malen. Van Meegeren tat dies und entging nicht nur der Todesstrafe, sondern erlangte Ruhm als „Der Mann, der Göring hereinlegte“.

 

Fazit: Hochinteressanter Ausflug in die Welt der Meisterfälscher. So fesselnd kann ein Sachbuch sein!

 

»Kunstwerke müssen nicht wahr sein, sie müssen wahr scheinen. – Nach Aristoteles«