Rezension

Kavaliersdelikt? Oder Verbrechen?

Original Meisterfälscher - Noah Charney

Original Meisterfälscher
von Noah Charney

Bewertet mit 5 Sternen

Mysteriös, skandalös und ein Hauch von Glamour: Die Geschichte der Kunstfälschung ist vollgepackt mit realen Krimis. Michelangelo fälscht die Antike. Reinhold Vasters narrt Experten mit perfekten Cellini-Imitationen. Tom Keating platziert Zeitbomben, Eric Hebborn erfindet Entwurfsskizzen van Dycks und Wolfgang Beltracchi verkauft einen Campendonk nach Hollywood. Dieses Buch macht sich auf die Spuren von Geschick und Missgeschick berühmter Meisterfälscher von der Antike bis in die Gegenwart. Was spielt sich im Kopf des Fälschers ab? Sucht er nach Ruhm, will er seine Genialität beweisen, Rache nehmen, reich werden? Geht es um Macht, um das Ego, um Geltungsdrang? Noah Charney, Experte für Kunstkriminalität, beschreibt, wie es den raffiniertesten Betrügern – oft so hochbegabt wie charmant – gelingt, die Kunstwelt nach Strich und Faden zu betrügen. Er entschlüsselt ihre Tricks und beschreibt, was letztlich doch zu ihrer Entlarvung führte – scharfsinnige Detektivarbeit, forensische Untersuchungen oder einfach pures Glück. Er erzählt aber auch davon, wie die Kunstwelt selbst in vielerlei Hinsicht zur Komplizin der Fälscher wird und bereitwillig in die Fallen dieser schlauen Kriminellen stolpert

Warum ist in unsern Augen ein perfekt nachgemaltes Bild eines Monets, van Gogh oder Turners eine Fälschung, während die Kopie einer griechischen Statue durch einen reichen Römer sogar großen Wert hat?

Warum ist es uns wichtig, dass Rembrandt selbst ein Gemälde gemalt hat und nicht einer seiner Schüler, der das Licht-Schatten-Spiel ebenso meisterlich beherrschte wie sein Lehrer?

Wieso betrachtet man oft Fälschung als Kavaliersdelikt – Betrug dagegen nicht – und rankt Legenden um Kunstfälscher, schreibt Bücher und dreht Filme um ihr Werk?

Mit der Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen leitet Charney sein Buch ein und zwingt den Leser, sich mit dem Begriff der Kunstfälschung und der eigenen Meinung dazu erst einmal auseinanderzusetzen. Schon hier gehen dem Leser einige Lichter auf.

Interessant sind die Motive für das Fälschen von Kunstwerken. Als erstes fällt dem Laien sicher das Stichwort „Geld“ ein, doch mehr noch spielt der persönliche Ehrgeiz erfolgloser Maler eine Rolle, der Welt ihr Talent zu beweisen. Vielleicht liegt hier auch der Grund, warum Fälschung meist anders bewertet wird als andere Verbrechen: Hier kann jemand malen und zwar so perfekt, dass sogar Experten Probleme haben, die Gemälde zu entlarven.

Anders sieht es aus mit Dokumenten-, Skizzen- oder Weinfälschungen.

Charney räumt trotz eines dreiseitigen Glossars der wichtigsten Testmethoden mit der Meinung auf, die Wissenschaft sei so weit, jede Fälschung zu erkennen. Denn: Jeder Fortschritt wird schnell von Fälschern eingeholt. Man weiß zu altem Papier zu kommen, Farben nach Rezepten eines Malers zu mischen und einen Provenienznachweis (Besitzerhistorie) zu liefern.

Andererseits sind sich die Experten selbst nicht immer einig. Hier spielt persönliches Renommee eine Rolle ebenso wie Museumspolitik, denn wer will sich schon nachsagen lassen, mit einem teuren Ankauf einem Betrüger aufgesessen zu sein?

Charney hat ein umfassendes Werk geschaffen, das die Komplexität der Kunstfälschungen durch die Jahrhunderte hindurch offen legt, dabei wissenschaftlich und für Laien verständlich ist. Es bietet spannende Episoden rund um Sammler, Auktionshäuser und Museen, lüftet Geheimnisse um angeblich verschwundene und wundersam wieder aufgetauchte Kunstwerke und liefert dem interessierten Leser Einblicke in ein Stück Kriminalgeschichte, von der man in dieser Form in kunstgeschichtlichen Bänden nichts liest.

Dieses Buch ist die erste Übersetzung eines Werks von Charney ins Deutsche. Es bleibt zu hoffen, dass es nicht das einzige bleibt.