Rezension

Diese Buch und ich, wir haben uns nicht gefunden

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe -

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
von Doris Knecht

Bewertet mit 3 Sternen

Eine Frau mittleren Alters versucht sich an neue Lebensumstände zu gewöhnen. Ihre beiden Kinder sind jetzt alt genug ihr eigenes Leben zu führen und der Auszug, nur eine Frage der Zeit. Die Frau hat Freunde, mag aber auch gerne allein sein. Gedankenreich läßt die Autorin mich an ihrer Innenschau teilnehmen. Sie denkt sich zurück in ihre Kindheit, wo sie mit ihren Eltern und ihren beiden Zwillingsgeschwisterpaaren in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen ist. Sie kam sich in dem Familienverbund nicht nur äußerlich anders vor, sondern fühlte sich als Außenstehende. In einem Gespräch mit der Mutter bagatellisiert diese, die Gefühle ihrer Tochter, anders behandelt worden zu sein. Sie war die älteste und zog als erstes aus, mit 17 Jahren nach Wien, 700 Kilometer weit von den Eltern weg. 

Die Frau lässt ihr Leben revue passieren, ihre ersten Liebhaber, ihre Ehe, die nicht gehalten hat, was sie sich davon versprochen hatte. Sie erzählt ganz eindringlich von der Geburt ihrer Zwillinge, wie sie selbst auf Händen getragen wurde, solange sie in den Wehen lag, wie sie aufgeschnitten wurde, wie ihr die Kinder weggenommen wurden, weil sie Frühchen waren und wieviel sie darüber weinte und wie dann alle von ihr erwarteten, dass sie ihre Kinder stillte und ihr ins Gewissen redeten. 

Ganz vieles Andere hat sie allerdings vergessen und verloren. Als ihre Tochter ihr Briefe ihrer eigenen Mutter vorliest, die ein ganz liebevolles Bild ihrer Beziehung zu ihren Eltern widerspiegeln, so ganz anders, als sie selbst ihre Eltern beschreibt, kommt mir kurz der Gedanke, dass sie dissoziativ sein könnte. Situationen, die sich nicht gut angefühlt haben, verdrängt hat. Ein Abwehrmechanismus, dessen sich viele bedienen. 

Auf Seite 126 führt die Autorin eine Familienchoreografie auf und lässt alle Geschwister auf der Kücheneckbank, ihren angestammten Platz finden, das hat mir gefallen. Zum Schluss, ihre Beschreibung der Winterlandschaft ebenso. Ein paar Spritzer Humor sind eingeflossen und bringen ein wenig emotionalen Schwung in die Szenen.

Fazit: Die Geschichte hat mich nicht mitgenommen. Für mich ist es ein Wohlfühlbuch, das ohne große Gesten, erschütternde Ereignisse, oder interessanter Wendungen, so vor sich dahinplätschert. Trotz einiger Ansätze, die man gerne hätte vertiefen können, blieben auch schwierige Themen an der Oberfläche und zogen an mir vorbei, ohne mich zu berühren.