Rezension

Dr. Waldecks zweiter Fall

Das Mädchen im schwarzen Nebel - Ivonne Hübner

Das Mädchen im schwarzen Nebel
von Ivonne Hübner

Bewertet mit 5 Sternen

„...Wenn die Leute nicht viel wissen, lach nicht über sie, denn jeder von ihnen weiß etwas, was du nicht weißt...“

 

Wir schreiben das Jahr 1816. Der Köhler Lorenz erwacht mit schweren Kopf und muss feststellen, dass der Meiler brennt. Doch es sollte noch schlimmer kommen, denn er findet darin eine Leiche. Dr. Cornelius Waldeck kommt, um sich den Toten anzusehen.

Dann wechselt das Geschehen ins Jahr 1813. Eine Gruppe Zigeuner, die als Zirkusleute arbeiten, fliehen vor dem Krieg .Zu ihnen gehört Rosana. Die junge Frau erlernt das Handlesen. Ihre Mutter Olivia ist Seiltänzerin, hatte aber nach einem schlimmen Sturz schmerzhafte Verletzungen, die sie nun über den Winter ausheilen muss.. Das Gesetz verlangt von ihnen, das sie sich ein festes Winterquartier suchen. Das gibt ihnen der Brauer Oswald, der dafür ihre Arbeitskraft fordert.

Die Autorin hat einen fesselnden historischen Krimi geschrieben. Die Geschichte spielt in der Lausitz. Es gibt einen Vorgängerband. Obwohl ich den nicht kenne, hatte ich kein Problem, dem Geschehen zu folgen. Nur an wenigen Stellen wird auf die Vorgeschichte hingewiesen. Das weckt allerdings Interesse daran.

Der Roman spielt über weite Strecken abwechselnd im den Jahren 1813 und 1816. Nach und nach wird mir als Leser klar, wie die Ereignisse zusammengehören und dass manches, was 1816 geschieht, ihre Wurzeln im Jahre 1813 hat.

Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Die Personen werden gut charakterisiert. Dr. Waldeck ist nicht nur Arzt. Er versteht es auch, Spuren zu lesen und logische Schlüsse zu ziehen. Seine Untersuchungen des Toten werden detailliert geschildert. Erstaunlicherweise öffnet er zwar den Brustkorb, aber der Bauchraum bleibt unversehrt. Die damals aktuelle Gehirnlehre, die der Arzt praktiziert, wird allgemeinverständlich erläutert. Außerdem lässt er sich von Lorenz erklären, wie ein Meiler angezündet wird und warum die vollständige Verbrennung der Leiche nicht funktioniert hat.

Nachforschungen ergeben, dass in der näheren Umgebung keine Person vermisst wird. Für den Polizisten, der Wert auf schnelle Erfolge und nicht auf gründliche Arbeit legt, ist damit erst einmal Lorenz der Täter.

Die Autorin arbeitet gekonnt die Hierarchie der damaligen Zeit heraus. Die Fischer, Harzer und Brauer fühlten sich den Köhlern überlegen und schauten auf sie herab. Noch eine Stufe tiefer standen die Zigeuner. Doch auch bei ihnen gab es Reibereien zwischen den einzelnen Familien. Auch vor dem Gesetz war nicht jeder gleich. Was bei den Einheimischen mit einer Geldbuße geahndet wurde, konnte für die Zigeuner das Todesurteil bedeuten.

Schön fand ich die Einbeziehung von Sagen und Sprichwörtern der Zigeuner. Obiges Zitat ist ein Beispiel dafür.

Geschickt wurde die Geschichte in größere historische Ereignisse eingebettet. Vor allem der Krieg gegen Napoleon hinterließ seine Spuren in der Gegend. Es war eben nicht egal, ob man in den Teil der Lausitz wohnte, der zu Sachsen oder zu Preußen gehörte.

Eine akribische Spurensuche und manchmal auch eine Prise Zufall führen endlich zum Namen des Toten. Damit hat man aber lange noch nicht den Täter. Es macht Spaß, Dr. Waldecks Gedankengänge zu verfolgen. Natürlich darf manch ungewöhnliche Liebesgeschichte im Ablauf des Geschehens nicht fehlen.

Es geht um Trauer und Rache, um Zuneigung und Hass. Nicht zuletzt hat der Aberglaube der Zeit seinen Part.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Gekonnt werde ich als Leser schon auf die nächste Geschichte eingestimmt.