Rezension

ein sehr gut gelungenes, lesenswertes Buch, das die goldenen 20-ger auf der Côte d‘Azur wieder aufleben lässt.

Der Sommer, in dem F. Scott Fitzgerald beinahe einen Kellner zersägte - Emily Walton

Der Sommer, in dem F. Scott Fitzgerald beinahe einen Kellner zersägte
von Emily Walton

Bewertet mit 5 Sternen

Klar, bildhaft und schonungslos wird Scott Fitzgerald und die Besonderheiten seines Charakters gezeichnet: Seine Eitelkeit und der Wunsch, stets im Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit zu sein, die ihn zu diversen seltsamen Auftritten verleiteten, darunter auch das im Titel des Buches erwähnte Beinah-Zersägen eines Kellners, sein Alkoholismus, der ihn hinderte, an dem Verlag versprochenen Manuskript ernsthaft zu arbeiten.

Ein kleines Büchlein. Hat es aber in sich.

März 1926. F. Scott Fitzgerald sitzt in der Villa Paquita in Juan-les-Pins an der Cote d’Azur und nimmt sich vor, am Ende des Sommers ein fertiges Manuskript seines neuen Romans in den Händen zu halten. Was aus diesem Vorhaben wurde und wie es dazu kam, erfährt man auf den nächsten 153 Seiten.

Klar, bildhaft und schonungslos wird Scott Fitzgerald und die Besonderheiten seines Charakters gezeichnet: Seine Eitelkeit und der Wunsch, stets im Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit zu sein, die ihn zu diversen seltsamen Auftritten verleiteten, darunter auch das im Titel des Buches erwähnte Beinah-Zersägen eines Kellners, sein Alkoholismus, der ihn hinderte, an dem Verlag versprochenen Manuskript ernsthaft zu arbeiten. Auch seine Rivalität zum aufgehenden Star Earnest Hemingway und Fitzgeralds Ansinnen, am sich stetig entwickelnden Erfolg von seinem jungen Freund mitzuwirken. Wie man liest, hat er auch tatsächlich Hemingways Manuskript korrigiert und kommentiert, und ihn seinem Verleger empfohlen.

Scotts Frau Zelda wird auch eingehend geschildert. Im Fach Verrückte-Dinge-Anstellen steht sie ihrem Mann im nichts nach. Da fühlt man sich hin und wieder in Fitzgeralds Roman Der große Gatsby versetzt.

Um Gerald und Sara Murphy dreht sich das Leben der amerikanischen Boheme an der Côte d‘Azur im Jahr 1926. Es macht einfach Spaß, auch über die jungen Menschen zu lesen, die sich ein ruhiges, erfülltes Leben auf der Sonnenseite des Lebens am Cap d‘Antibes in Südfrankreich genehmigen können, wie sie ihre Kinder erzogen, was für Interessen sie hatten, welche Künstlerfreunde sie zu all den Partys und Diskussionsrunden einluden. Pablo Picasso schaut hin und wieder vorbei, Zelda und Scott Fitzgerald gehören zu den stets geladenen Gästen und der aufgehende Stern Earnest Hemingway zieht Aufmerksamkeit aller an sich, wenn er bei Murphys auftaucht.

Gut geschrieben ist das Werk, liest sich leicht und flüssig. Die goldenen 20-ger des XX Jh. an der Côte d’Azur mit ihrem gemütlich gelebten Hedonismus werden vor Augen der Leser wieder lebendig. Die Bilder der Belle Epoche und des unbeschwerten Lebens, die jungen gebildeten Leute mit all ihren Diskussionen über Gott und die Welt, kommen gut zur Geltung.

Im letzten Kapitel fährt Familie Fitzgerald am 10. Dezember 1926 zurück nach Amerika. Wie es mit Murphys, Fitzgeralds, Hemingway und seinen Frauen, und manchen anderen, wie es mit den Schauplätzen wie den Hotels, Casino, Villen aus dem Jahr 1926 weiterging, wird kurz zum Schluss im Epilog dargelegt. Ein schwarzweißes Foto von Scott und Zelda vor der Villa St. Louis aus dem Jahr 1926 rundet das Werk ab.

Auf der letzten Seite steht: „Bei der Recherche für dieses Buch hat die Autorin auf Briefe, Biografien, Memoiren, Tagebücher, Artikel und wissenschaftliche Publikationen zurückgegriffen. Viele davon sind nur in Antiquariaten und Archiven erhältlich.“ Ja, die aufwendige Recherche sieht man dem Ganzen auch an.

Fazit: ein sehr gut gelungenes, lesenswertes Buch, das die goldenen 20-ger auf der Côte d‘Azur wieder aufleben lässt. Ich vergebe gerne 5 Sterne und eine Empfehlung für die Fans kulturgeschichtlicher Werke.

 

Kommentare

wandagreen kommentierte am 04. Januar 2023 um 00:08

Sehr gute Schilderung. Ich hätte das Buch vllt doch in Erwägung ziehen sollen.