Rezension

Zeitgeist der 1920er Jahre

Der Sommer, in dem F. Scott Fitzgerald beinahe einen Kellner zersägte - Emily Walton

Der Sommer, in dem F. Scott Fitzgerald beinahe einen Kellner zersägte
von Emily Walton

Bewertet mit 4 Sternen

Über den Schriftsteller des Großen Gatsby, der einen ähnlichen Lebensstil pflegte.

Ein Portrait amerikanischer Künstler, Intellektueller und Kunstförderer, die sich in den 1920er Jahren ein paar Sommer lang in Südfrankreich niederlassen und die dortige mondäne Sommerfrische-Kultur ins Leben rufen, sich selbst und das Leben während schillernder Partys feiern. Dekadenz und Exzess sind an der Tagesordnung, aber auch das Sehnen nach einem soliden Familienleben und Zufriedenheit mit dem und im Selbst.
Während das Vorzeige-Ehepaar Gilbert und Sara Murphy in einer südfranzösischen Villa mit drei quirligen Kindern von Saras geerbtem Wohlstand leben und es sich gut gehen lässt, junge Künstler fördert und eine stabile Ehe führt, träumt der Schriftsteller F. Scott Fitzgerald, der sich nach dem Publizieren des Großen Gatsby ebenfalls in Frankreich niederlässt, um den nächsten Roman zu schreiben, von Stabilität in jeder Hinsicht. Weder geht es mit seinem Werk voran noch ist seine Ehe mit Zelda sonderlich stabil. Zusehens gerät er in einen Strudel aus Alkohol, peinlichen Aktionen, Schreibblockaden und Streit mit der kränkelnden Zelda. Ein wenig Motivation findet Scott darin, sich als Mentor für seinen Freund Ernest Hemingway aufzuspielen, der nach einem ersten Erfolg ebenfalls an einem Werk schreibt, das ihm den Durchbruch als Schriftsteller bescheren soll. Scott weiß, dass er arbeiten sollte, doch mit der Disziplin ist es nicht weit her, wenn alkoholische Getränke locken und sich Spießgesellen finden, mit denen peinliche und dumme Scherze ausgeheckt werden können – so das zersägen eines Kellners -, bis zur eigenen Erniedrigung. Die Freundschaft mit den Murphys bewegt sich auf dünnem Eis, ebenso wie die finanzielle Situation der Fitzgeralds schnell prekär werden kann. Der kurzzeitig gefeierte Schriftsteller und sein einstiges It-Girl kehren nach drei Jahren in vielerlei Hinsicht als Wracks in die Vereinigten Staaten zurück. Doch auch ihre Freunde tragen Blessuren davon, die ihnen die Goldenen Zwanziger Jahre beschert haben.
Ein toll geschriebenes Buch, wie ich finde. Immer wieder werden Hinweise gegeben und Brücken geschlagen ins Jahr 2015, zu Dingen, die heute noch bekannt sind, die im beschriebenen Sommer ihren Ursprung haben. Gerade Sara und Gerald Murphy waren wahre Trendsetter – was Kleidungsstil, Kunst, Reisen und die Idee von Urlaub betrifft. Was zunächst als Biografie über F. Scott Fitzgerald anmutet, ist jedoch ein Ausschnitt aus seinem kurzen Leben, der ihn als Charakter allerdings gut herausstellt. Dies nicht nur in seinen Briefen, die er an Verleger und Freunde schreibt. Man taucht ein in eine ganz eigene, interessante und glamouröse Welt, in der es auch Verlierer gibt.
Beim Lesen muss man sich konzentrieren, der Erzählung die volle Aufmerksamkeit schenken, so dass nichts an treffenden Formulierungen entgeht. So meine ich, erinnert der Roman auch stilistisch ein wenig an die Romane Fitzgeralds.
Das Büchlein kommt elegant daher, mit hübsch gestaltetem, im Stile der 1920er Jahre gesetztem Titel und Lesebändchen.