Rezension

Einblick in eine andere Kultur, sehr gefühlvoll

Ehre - Elif Shafak

Ehre
von Elif Shafak

Bewertet mit 5 Sternen

Ehre – ein hohes Wort in den südöstlichen Gebieten. Eine Frau hat diese schneller beschmutzt als ein Mann, sie hat sie zu wahren. Gleichnamiger Roman von Elif Shafak handelt von einer Kurdin, die von Istanbul mit ihrem Mann und ihrem Sohn nach London zieht. Wie sie mit den verschiedenen Kulturen klarkommt, schildert die Autorin in diesem Roman.

Pembe heiratet früh, mit 17 gebärt sie ihren ersten Sohn. In London erhofft sie sich mit ihrem Mann Adem und ihrem Sohn Iskender ein erfülltes Leben. Doch auch hier ist es nicht besser – es zerreisst ihre Familie und auch ihre ursprüngliche Kultur. Da lernt sie Elias kennen, durch ihn lebt sie wieder und lernt neue Seiten an sich kennen und sieht die Welt mit anderen Augen. Elia zeigt ihr neue Horizonte, sie teilen viele Gemeinsamkeiten, so auch die Liebe zum Kochen. Pembes Zwillingsschwester Jamila riecht, dass das nicht gut gehen kann und reist kurzerhand ihrer Schwester hinterher nach London.

Man merkt gleich schon, dass die Autorin aus dieser Kultur entstammt. Das ganze Wissen hierüber hat niemand unbedingt, der sich nicht sehr intensiv damit befasst oder selber damit aufgewachsen ist. Anders als gedacht, ist der Einstieg in den Roman sehr leicht und man fühlt sich sofort „daheim“. Man kann sich sehr genau in Pembe hineindenken, als Kind schon und auch später als Frau.

Angefangen wird der Roman nicht etwa mit der Protagonistin, sondern in der Zukunft mit ihrer Tochter. Man erfährt hier bereits, dass Pembe mittlerweile tot ist und ihr Sohn Iskender, Esmes Bruder, in Haft sitzt. Als diese ihn aus der Haft abholt, da er die Strafe abgesessen hat, endet das Kapitel und Pembes Leben beginnt.

Anders als andere Kinder aus diesen Gefilden erlebt Pembe eine schöne Kindheit in ärmeren Verhältnissen. Ihre Mutter ist zwar ein Drache, der sie auch nach dem Tod noch als vermeintlicher Geist verfolgt – ihr Vater aber ist ihr ein und alles und liebt seine Töchter abgöttisch. Er ist hier derjenige, der eher nachgibt als die Mutter.

Doch jeder in dieser Geschichte hat sein Päckchen zu schleppen. Pembe ist diejenige, die ihrem Herzen folgt, ihrer Leidenschaft. Sie packt einfach alles zusammen und reist ab in ein fernes Land mit ihrer Familie. Ihre Zwillingsschwester Jamila ist hier das genaue Gegenteil, leidenschaftslos weilt sie ein einsames Leben als Hebamme auf dem Land und würde das jahrelang weiterführen, wenn auch nicht glücklich. Sie ist gebannt an die Macht der Gewohnheit. Adem, Pembes Ehemann, ist geplat durch die Spielsucht. Man merkt ihm gleich an, dass er immer an sich selbst zweifelt und in Erinnerungen schwelgt, die nicht sehr schön waren. Alle haben sie etwas gemeinsam – jeder auf seine Weise ist irgendwie einsam, wenn sie auch sich gegenseitig haben. Das ist nicht das gleiche und es macht sie auch nicht glücklich. Auf den Leser machen diese Personen den Eindruck, als würden sie zwanghaft nach dem Glück streben und doch nur über Steine stolpern.

Über die Kinder erfährt man nur halb so viel wie über ihre Eltern. Man erfährt aber trotzdem, dass auch diese kein leichtes Leben haben. Sie müssen sich mit ihrem Gewissen, der Liebe zu Eltern und ihrer eigenen Entwicklung und Entfaltung der Persönlichkeit auseinandersetzen.

Das Buch nimmt den Leser schon ab der ersten Seite mit, es ist sehr gefühlvoll und mit Stil geschrieben. Die Autorin weiß genau, wie sie den Leser erreicht. Es ist eine Geschichte über Liebe und Verrat, Familie und Zusammenhalt und der Zusammenprall von Kultur auf Kultur.

Hier treffen Kulturen aufeinander und sie können verschiedener nicht sein. Man fühlt mit jeder der Personen mit, ist auf jede wütend und durchlebt ein wahres Bad der Gefühle beim Lesen. Ein zauberhafter Roman, der einen in die Welt der fremdartigen Kulturen entführt, die erschreckend aber auch sehr liebevoll sein können. Erschreckend und entsetzlich in unserer Welt, kommt sie uns zu Ohren – in der Tat aber nicht abwegig, so etwas passiert mehr als man denkt.

Frau Shafak schreibt so gefühlvoll und detailliert, dass man nicht anders kann, als den Worten zu folgen. Hat sie es am Ende selbst erlebt? Denn so erscheint es einem! Wer einmal in eine andere Kultur abtauchen möchte, erfahren möchte, wieviel so anders ist als bei uns – der ist hier genau richtig! Eine herzzerreissende Geschichte in einer anderen Welt bzw. anderer Kultur! Mein letztes Buch von ihr war es mit Sicherheit nicht.