Rezension

Eine Familiengeschichte, die viele andere Familien in der Nachkriegsgeschichte betreffen

Mein Vater, der Deserteur - René Freund

Mein Vater, der Deserteur
von René Freund

Bewertet mit 5 Sternen

Dieses Buch ist nicht ganz so einfach zusammen zufassen. Zunächst ist festzuhalten, dass es sich um eine deutsch-österreichische Familiengeschichte handelt, die persönliche, biografische und historische Elemente enthält. Der Autor René Freund ist der Sohn eines österreichischen ehemaligen Wehrmachtssoldaten - Gerhard Freund - der während des Zweiten Weltkrieges ein Kriegstagebuch geschrieben hat. René Freund hat dieses Buch um dieses Tagebuch herum geschrieben. Zunächst stellt René Freund eine Familienursprungsbild auf. Direkt im Anschluss beginnt er zu erzählen wie Gerhard Freund sich von seiner Familie verabschiedet, und 1944 mit 19 Jahren als Wehrmachtssoldat eingezogen wird - knapp anderthalb Jahre vor Kriegsende. Von Wien reist Gerhard Freund nach Straßburg, und von dort weiter nach Paris. In Paris stellt Gerhard Freund fest, dass dieser Krieg sinnlos ist, und entschließt zusammen mit seinem älteren Freund "Papa" zu desertieren. Allerdings entpuppt sich die Desertion als Odyssee durch Frankreich, und von dort nach nach Amerika wo er als Kriegsgefangener einige Monate verbringt, und nach Kriegsende endlich wieder nach Wien zurück kehren kann.

Im Laufe des Buches erfährt man, dass René Freund die Route in Frankreich mit seiner Ehefrau und seinen Kindern bereist hat, die sein Vater als Soldat durchlaufen hat bevor er nach Amerika desertierte, um festzustellen, wo sein Vater damals stationiert gwesen ist, und um nachzuempfinden, wie das Leben eines Wehrmachtsoldaten gwesen sein muss. Renè Freund lag es am Herzen, sich mit der Geschichte seines Vaters auseinander zusetzen, aber auch im Nachblick, was Krieg in der Gegenwart bedeutet. Neben familiären Hintergründen erfährt im Buch, welche historischen Ereignisse in Österreixh, Frankreich und Amerika geschehen sind, die das Kriegstagebuch somit gut abrunden. René Freund erzählt das Leben seines Vaters bis zu dessen Tod im Jahre 1979. Damals ist René Freund 12 Jahre alt, und kann das seines Vaters noch nicht begreifen. Seine Mutter lebt heute noch.

René Freund möchte mit diesem Buch ein Zeichen setzen für die Nachfolgegenerationen - besonders für die Enkelgenerationen und ganz besonders für die betroffenen Familien, in denen Ehemänner, Brüder, Söhne desertiert sind. Viele Jahrzehnte erhielten Deserteure der Wehrmacht keine Anerkennung, weil sie als Fahnenflüchtige galten. Unter Hitler galt für sie die Todesstrafe.

Als ich auf dieses Buch aufmerksam wurde, wusste ich, dass ich dieses Buch lesen muss, denn mein Großvater mütterlichseits war ebenfalls Deserteur, was ich allerdings erst vor wenigen Jahren erfahren habe. Meine beiden Großväter waren Wehrmachtsoldaten, aber ich konnte ihnen leider keine Fragen zu dieser Zeit stellen,weil sie früh verstorben sind. Daher bin ich auf die Erzählungen meiner Eltern angewiesen. Die letzte Angehörige aus der Großelterngeneration ist 2014 verstorben. Ich habe mich immer schon für die Geschichte meiner Großeltern interessiert, und beschäftige mich hin und wieder mit dieser Epoche über Dokumenationen und Bücher.

Wer sich mit der Geschichte seiner Eltern oder Großeltern auseinandersetzen möchte, findet hier einen persönlichen Einblick. René Freund und viele andere Kinder und Enkel wissen bis heute nicht, wie es im Inneren der Eltern/ Großeltern aussah. Wie traumatisiert sie gewesen sind. Die Nachfolgegenerationen können es nur erahnen.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 24. November 2014 um 11:01

Ich freue mich, dass das Buch dir zugesagt hat. Vllt hat es dir auch ein bisschen geholfen, deine "Vorfahren" zu verstehen.

Sommerzauber02 kommentierte am 24. November 2014 um 11:18

Ich habe eigentlich meine Vorfahren gut verstanden; mir fehlen einfach hier und da noch Informationen. Mein Großvater väterlichseits war z.B. gegen Schützenverein. Im Dorf haben sie ihn oft versucht, zu überreden, diesem Verein beizutreten. Mein Großvater war in Stalingrad, und gehörte zu den letzten Soldaten, die von dort ausgeflogen sind. Unterschwellig ging die vielen Jahrzehnte und Jahren durch beide Familien, dass die Mehrheit gegen Krieg ist.

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