Rezension

Eine faszinierende, tief bewegende Geschichte - ein Lesehighlight!

Winter in Maine - Gerard Donovan

Winter in Maine
von Gerard Donovan

Bewertet mit 5 Sternen

Ein kalter Nachmittag Ende Oktober in einer kleine Jagdhütte tief in den Wäldern Maines. Der Winter kündigt sich langsam an, Julius Winsome sitzt vor dem Ofen und liest als er den Schuss hört. Etwas beunruhigt ihn an diesem Schuss, denn obwohl des Öfteren Jäger durch die Wälder streifen kommt ihm der Schuss doch recht nah vor - zu nah. Kurz darauf findet er seinen einzigen Freund, den Terrier-Pittbull-Mix Hobbes, schwerverletzt vor der Hütte. Der Tierarzt kann Hobbes nicht retten, da aus nächster Nähe brutal auf den Hund geschossen wurde und Julius muss seinen treuen Weggefährten schweren Herzens begraben. Der Verlust trifft ihn hart und tief in ihm bricht etwas Bahn, dessen er sich zunächst nur vage bewusst ist. Als er in der nächstgelegenen Stadt ein Plakat aufhängt "Hund erschossen" (...) "Belohnung für jeden Hinweis" und ein Unbekannter das Geschriebene mit den Worten "Was soll´s ein Hund weniger. Reg dich ab" kommentiert, sieht Julius rot und beginnt seinen persönlichen Rachefeldzug.

Gestaltung, Stil, Leseeindruck:
Selten haben mich 207 Seiten so intensiv gefangen genommen. Dieses Buch ist unglaublich. Der Titel schlicht und doch so passend, denn Donovan versetzt den Leser schon nach ein paar Seiten tief in die winterlichen Wälder Maines. Und dabei steht der Winter nicht nur für die Jahreszeit, sondern auch für Verlust und Kälte. Der Schreibstil ist beinahe poetisch und sehr fesselnd. Donovan schmückt nichts aus und doch liest sich die Geschichte wie ein Gedicht. Zärtlich, brutal intensiv und tiefgründig. Es mangelt nicht an Wärme aber stets lauert die Kälte unmittelbar vor der Tür.

Der Protagonist Julius ist ein sonderbarer Mann. Seit seiner Geburt lebt er mit seinem Vater in der einsamen Jagdhütte, umgeben von 3282 Büchern und der Vergangenheit seines Vaters und Großvaters, die beide im Krieg gedient haben. Mit dem Verlust seines Hundes beginnt er über sein Leben zu sinnieren: 51 Lebensjahre, die der Leser mit Julius rückblickend teilt. Nach und nach versteht man diesen eigenbrötlerischen Mann immer besser und lernt ihn näher kennen. Man kann nicht umhin, ihn zu mögen und trotz seiner Eigenarten zu respektieren. Julius liebt das Geschriebene Wort und obwohl er ein Mann weniger Worte ist, so hat er doch ein großes Herz.

"Als dieser Mann im Wald vor mir hergegangen war, hätte ich ihm gern erklärt, dass ich keine Gefühle zeigte, wenn es angebracht war, und zu viel Gefühl, wenn es unangebracht war. Von Leuten wie mir muss man sich fernhalten, dann kann einem nichts passieren." (Zitat S. 206, Kapitel 49)

Die Sprache dieses Romans ist wunderbar und sehr berührend. Ich habe jede einzelne Seite genossen. Donovan trifft ins Herz mit Worten so scharf und klar, dass sie manchmal wehtun. Die Beerdigung Hobbes´ am Anfang des Buches beispielsweise hat mich sehr bewegt, (vielleicht auch besonders, weil mein eigener Hund neben mir auf der Couch lag beim Lesen):

"Es fiel mir schwer, die erste Schaufel Erde auf sein Gesicht zu werfen, ihn, der so oft hinter den von mir geworfenen Spielsachen hergelaufen war, der zitternd auf dem Fußboden gelegen hatte, während er im Traum lief und bellte, reglos in einem Loch liegen zu sehen. (...) , während ich ihn zusammen mit allem, was ihn ausgemacht hatte, begrub: seinen Spaziergängen, seinen Verschnaufpausen, der Gewohnheit zu fressen, sobald er Hunger hatte, den Sternen, die er manchmal betrachtete, dem ersten Tag in meiner Hütte, dem ersten Mal, dass er Schnee sah, und jeder Sekunde seiner Freundschaft. All das nahm er mit in die Stille und Reglosigkeit. Ich schaufelte die ganze Welt auf meinen Freund und spürte ihr Gewicht, als läge ich bei ihm dort im Dunkeln." (Zitat S. 22, Kapitel 4)

Trotz aller Wärme und Sympathie für Julius, gibt es eben auch noch eine dunkle Seite dieses Mannes, die durch die Trauer und die Verspottung seines Aufrufes in der Stadt hervortritt.

"Und mit der Trauer kroch noch etwas anderes zur Tür herein, der Hauch von etwas anderem, meine ich. Es musste vom Holzstoß gekommen oder aus dem Wald hereingeweht sein, denn so ein Gefühl hatte ich noch nie gehabt." (Zitat S. 26, Kapitel 5)

Diese Seite ist brutal und erbarmungslos. Und obwohl das so ist, konnte ich bis zum Schluss nicht umhin, Sympathie für Julius zu empfinden. Ich habe ihm diese Rache gegönnt, wenngleich sie falsch ist, denn Selbstjustiz ist nun einmal unmoralisch.

Fazit:
Eine einzigartige Geschichte eines sonderbaren und besonderen Mannes, die tief bewegt und noch lange nachwirkt. Ein Roman, der gleichermaßen fesselt und schockiert wie berührt und zum Nachdenken anregt. Eine absolute Leseempfehlung, nicht nur für kalte Wintertage!

Kommentare

Naibenak kommentierte am 14. Oktober 2014 um 12:30

Wow das klingt ja wirklich faszinierend!!! Für so ein kleines Büchlein ist in meinem Wunschregal auch noch Platz :D Danke für die Rezi!!! :-)

yvy kommentierte am 14. Oktober 2014 um 12:34

Das freut mich, hoffentlich packt es dich auch so wie mich. Ich bin begeistert und das Buch hat mich bis jetzt noch nicht losgelassen.

Nafreyu kommentierte am 14. Oktober 2014 um 22:55

Wow, wunderschön geschriebene Rezi. Das Buch kommt auf meine Wunschliste! Wobei ich ja eigentlich jegliche Geschichten hasse und einen großen Bogen um Bücher und Filme mache, in denen Hunde getötet werden... aber ich glaube, hierfür kann es mal eine Ausnahme geben.

yvy kommentierte am 15. Oktober 2014 um 12:06

Ja, so geht es mir normalerweise auch aber die Ausnahme ist gerechtfertigt. Es gibt in dem Buch eine Seite, auf der Julius die Sprache des Hundes allgemein beschreibt und das ist derart zutreffend. Der Wahnsinn!

Nafreyu kommentierte am 19. November 2014 um 12:32

Nachdem ich das Buch jetzt selbst gelesen habe, kann ich dir nur zu 100% zustimmen. Wie Julius allgemein seinen Hund beschreibt und die Hundesprache, das ist wirklich wunderschön und wunderschön zutreffend. Die Ausnahme war wirklich eine gute Ausnahme. Auch wenn ich auf den ersten Seiten am liebsten meine Fellnase ganz eng an mich gedrückt hätte, nur leider bin ich dafür ja gerade zu weit weg...

yvy kommentierte am 19. November 2014 um 13:13

Freue mich gerade richtig, dass es dir so gut gefallen hat. :)))