Rezension

Eine Suche in Irland

Ein Sommer in Irland - Ricarda Martin

Ein Sommer in Irland
von Ricarda Martin

Bewertet mit 5 Sternen

Caroline, die seit der Scheidung allein erziehende Mutter einer pubertierenden und aufmüpfigen 16-jährigen ist, arbeitet bei einem Kunsthändler. Die Arbeit macht ihr sehr viel Spaß, ist aber auch sehr zeitintensiv, so dass sie nicht soviel Zeit für ihre Tochter Kim aufbringen kann wie sie gern wollte.
Das Verhältnis der beiden zueinander ist sehr gespannt, so dass sich Kim liebend gern bei ihrem Vater aufhält.
Als Caroline von ihrem Chef den Auftrag erhält, in Irland nach einem sehr alten Buch zu suchen und es bei einer Auktion auf Cardew Castle nach Möglichkeit zu ersteigern, ist sie erst skeptisch, wie sie das mit Kim regeln soll.
Sie nimmt Kim mit, es sind Ferien und obwohl es definitiv nicht Kims erste Wahl ist (viel lieber wäre sie mit ihren Freundinnen nach Florida gefahren), muss sie sich fügen und fährt schmollend mit.

Caroline fühlt sich in Irland wohl und die Menschen im Ort sind auch nett und hilfsbereit zu ihr, bis sie merken, dass Caroline zu Cardew Castle Fragen stellt. Sie bekommt so gut wie keine Antwort, die Menschen sind plötzlich verschlossen. In der Buchhandlung trifft sie auf einen alten Buchhändler, der sich nicht gleich abweisend ihr gegenüber zeigt. Im Gegenteil, er übergibt ihr ein altes Buch, das sie unbedingt lesen soll. Sie legt es beiseite und vergisst es.
Sie versucht, sich in Cardew Castle umzusehen, aber das Castle ist zugesperrt. Über einen Nebenweg trifft sie auf den mürrischen Hausverwalter, der scheinbar noch in dem baufälligen Gebäude wohnt. Auch er gibt ihr keine Auskunft über das Castle oder über das Buch, das sie sucht. Er verweist sie vom Grundstück und darauf, dass es Privateigentum wäre und sie dort nicht erwünscht ist.

Durch ihre Fragerei und ihre Suche nach dem Buch macht sie sich nicht gerade Freunde, sie begibt sich sogar in Gefahr und gerät ins Visier von jemandem. 

Als ich den Titel des Buches das erste Mal gelesen habe, war klar, dass das von mir gelesen werden muss. Einmal Irlandfan, immer Irlandfan und das nicht nur vor Ort, sondern auch was Literatur betrifft.
Viele der beschriebenen Orte habe ich selbst schon besucht und weiß um die Faszination, die diese auf Reisende ausüben. Ricarda Martin ist es hervorragend gelungen, diese mit ihren Beschreibungen wieder aufleben zu lassen und bei mir eine wehmutsvolle Erinnerung heraufzubeschwören.
Sehr gut nachempfinden konnte ich die Starre, die einen befällt, wenn man sich im "Long Room" des Trinity Colleges befindet. Diese Bibliothek ist so gigantisch und der Blick ins "Book of Kells" so nachhaltig, das vergisst man nie wieder.

Die Suche nach einem ähnlich gearteten Buch wie das "Book of Kells" bringt Caroline nach Irland.
Sie nimmt ihre Tochter Kim mit und hofft, dass sie dort die Zeit nutzen kann, sich mit Kim auszusprechen und wieder Nähe mit ihr zu schaffen.
Das wird ihr anfangs von Kim nicht leicht gemacht, aber Kim hat nicht wirklich eine Alternative dort.
Die Suche wird ihr auch erschwert, da die Dorfbewohner plötzlich nicht mehr so mitteilsam sind, wenn sie erfahren, was sie dorthin verschlagen hat. Sie stößt auf Geheimnisse und Dinge, die vertuscht wurden, aber warum und wie hängen sie zusammen?

Die Geschichte spielt in zwei Zeitebenen, Anfang des 20. Jh. und im heute. Zu Beginn des letzten Jh. war das Leben für Frauen nicht einfach. Männer oder Väter verfügten und bestimmten über sie. 
Zwei junge Frauen kommen durch die Unruhen in Nordchina nach Irland auf Cardew Castle.
Wie die Schicksale dieser beiden Frauen mit den Geschehnissen in der Gegenwart verbunden sind, werde ich jetzt jedoch nicht verraten.

Geschickt verknüpft die Autorin Vergangenheit und Gegenwart miteinander. Sie zeigt die politischen Unruhen in Irland auf und vermittelt dem Leser einen kurzen Einblick in die bewegende Geschichte des Landes.

Dass Caroline und Kim mit ihrer Reise auch einen Einblick in ihre eigene, bislang unbekannte, Geschichte erfahren, war für sie nicht vorhersehbar. Aber nicht jeder möchte, dass lang gehütete Geheimnisse ans Licht kommen.

Die Protagonisten sind liebenswert und sympathisch beschrieben. Wenn man auch eine Weile braucht, um sich mit Kim anzufreunden, so wird sie letztendlich eine junge Frau, die man einfach mögen muss.

Neben den geschichtlichen Einblicken wird die Liebe jedoch nicht vergessen. Ob nun jeder ein persönliches Happy End finden wird, bleibt hier offen, das solltet ihr selbst lesen.

Ein wunderbares Buch, ein Trip in die Vergangenheit, ein Besuch in einem traumhaft schönen Land, Spannung, Geheimnisse, Liebe - was will man mehr?
Die Mischung stimmt und lässt den Leser nicht eher ruhen, bis man das Buch ausgelesen hat.
Ich hatte ein paar fantastische Stunden damit verlebt und empfehle es auch sehr gern weiter.