Rezension

entsprach nicht ganz meinen Erwartungen

Heimweh - Marc Raabe

Heimweh
von Marc Raabe

Bewertet mit 3 Sternen

Selten habe ich so einen beklemmenden und fesselnden Prolog gelesen, der mich innerlich schaudern liess. Leider blieb dieser Punkt bis zum Showdown der einzige, der mich wirklich in den Bann gezogen hat.

Jesse Berg findet seine Ex-Frau in ihrer Wohnung ermordet auf, und seine Tochter Isa ist entführt worden. Die Nachricht „Du hast sie nicht verdient.“, über Isas Bett geschrieben, lässt auf Eifersucht als Motiv des Täters schliessen. Am Tatort begegnet ihm Jule, die beste Freundin, seiner Frau, die er erst langsam und allmählich davon überzeugen kann, daß er nicht der Täter ist.

Gemeinsam machen sie sich auf den Weg, um nach Isa zu suchen. Der Schlüssel zu ihrer Entführung liegt im Heim Adlershof, in dem Jesse aufgewachsen ist und dort auch Sandra, seine Ex-Frau kennengelernt hat.

In Rückblenden erfährt der Leser nach und nach die Details aus Jesses schmerz- und kummervollen Vergangenheit.

Insofern wird auch einem Leser die Doppeldeutigkeit des Buchtitels bewusst, der keine solchen Heimerfahrungen gemacht hat. Denn hier bedeutet Heimweh nicht nur der Schmerz nach Hause, sondern den Schmerz im Heim. Einen gelungeneren Titel hätte man kaum wählen können.

Auf der Suche nach dem Täter begegnen Jesse viele Personen aus der Leidenszeit, und man rätselt, wer der Mörder und Entführer sein mag. Dadurch, daß manche der in Frage Kommenden auch ihr Leben lassen, dezimiert sich die Zahl der Verdächtigen allmählich, und die Lösung ist schon recht verblüffend.

Die Geschichte in ihrer Gesamtheit ist schlüssig dargestellt, und der Schreibstil des Autors lässt keine Langeweile aufkommen.

Leider blieben die handelnden Personen größtenteils blass. Gerade Jesses Sorge um seine Tochter wurde für mein Empfinden zu wenig heraus gearbeitet, so daß man sich gelegentlich fragt: treibt ihn wirklich die Suche nach seiner Tochter um oder ist es die Suche nach verschütteten Kindheits- und Jugenderinnerungen?

Hier ist Jesse in den Rückblenden eindeutig eindrucksvoller und nachvollziehbarer dargestellt.

Angesichts der Vorkommnisse -Tochter entführt, Ex-Frau ermordet – war mir der Erzählstil und das Tempo für die Passagen in der Gegenwart zu behäbig, für die Rückblenden aber genau passend gewählt, um Jesse zu charakterisieren und Licht ins Dunkel zu bringen.

Mein Fazit: für ein Psychogramm eine gut geschriebene und lesenswerte Geschichte, für einen Psychothriller an sich war es mir persönlich ein wenig zu dünne, um mich zu packen und zu fesseln.