Rezension

Erfahrung ist der Anfang aller Kunst und jedes Wissens. - Aristoteles

Töchter des Aufbruchs -

Töchter des Aufbruchs
von Marie Pierre

Bewertet mit 5 Sternen

1910 Elsaß-Lothringen. Lehrerin Pauline Martin hat nach dem Tod ihrer Patentante die Leitung deren Pensionats für höhere Töchter übernommen und unterrichtet sie in einem modernen Stil, um ihnen Selbstbewusstsein und Eigenständigkeit zu vermitteln. Unter den Schülerinnen, die sowohl aus verschiedenen Landesregionen Deutschlands, Frankreich und Luxemburgs kommen, ist auch Paulines Nichte Suzette, die schon bald mit ihrer unbedachten Art das gesamte Pensionat in Aufruhr versetzt. Sie verabredet sich unerlaubt nachts mit einem Soldaten und verschwindet spurlos, was nicht nur Pauline und ihr Pensionat in Schwierigkeiten bringt, sondern auch den preußischen Hauptmann Erich von Pliesnitz auf den Plan ruft. Als auch noch der neue geheimnisvolle Gärtner Vincent ungewollt für einiges an Unruhe sorgt, muss endlich eine Lösung her, damit der Ruf des Pensionats nicht weiter leidet. Obwohl Pauline und von Pliesnitz unterschiedliche Auffassungen haben, müssen sie hier zusammenarbeiten. Ob es ihnen gelingen wird, alles aufzuklären und die Wogen zu glätten?

Marie Pierre alias Maria W. Peter hat mit „Töchter des Aufbruchs“ den Auftaktband ihrer neuen Pensionat-Trilogie vorgelegt, der den Leser nicht nur mit interessantem historischen Hintergrundwissen versorgt, sondern ihn einlädt, am sehr unterhaltsamen Pensionatsleben teilzunehmen. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil bringt den Leser sofort in die Vergangenheit, wo ihm die Türen zum Pensionat geöffnet werden. Während er sich unter den Schülerinnen und dem Personal tummelt, tritt nach und nach so manches Geheimnis zutage. Pauline hat alle Hände voll zu tun, ihren Schülerinnen nicht nur den Lehrstoff zu vermitteln, sondern muss sich nebenbei auch noch um die Erweiterung des Lehrpersonals kümmern, als eine Lehrerin kündigt. Nichte Suzette macht ihr mit ihrer aufsässigen Art das Leben schwer und droht, den Ruf des Pensionats und aller Bewohner in Misskredit zu bringen. Die unvermeidliche Hilfesuche bei Hauptmann von Pliesnitz ist Pauline zuerst äußerst unangenehm, doch je näher die beiden sich kennenlernen, umso mehr wissen sie den anderen zu schätzen. Währenddessen sucht der durch einen Schicksalsschlag traumatisierte Vincent Unterschlupf als Gärtner im Pensionat und wird ausgerechnet dort mit seiner Vergangenheit konfrontiert. Die Autorin versteht es meisterhaft, ihre kurzweilige, spannende Geschichte mit gut recherchierter Historie zu ummanteln, so dass der Leser das Gefühl hat, hautnah dabei und Teil der Handlung zu sein. Die geheimnisvollen Umstände fordern zum Miträtseln auf, während gleichzeitig die damaligen gesellschaftlichen Regeln und Normen allseits präsent sind.

Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und in Szene gesetzt, sie überzeugen mit glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften, so dass der Leser sich in ihrer Mitte sofort wohl fühlt und sich an ihre Fersen heftet. Pauline ist eine patente, herzensgute und weltoffene Frau, die sich ihre Selbständigkeit hart erkämpft hat. Sie liebt ihre Arbeit, besitzt viel Einfühlungsvermögen und eine natürliche Sensibilität für ihre Schützlinge, wobei sie auch eine führende Hand nicht vermissen lässt. Erich von Pliesnitz ist der typische Soldat mit Führungsqualitäten. Negative Erfahrungen mit dem weiblichen Geschlecht lassen ihn hart erscheinen, doch besitzt er einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn sowie eine angeborene Spürnase. Vincent Lehmann umweht zwar ein Geheimnis, doch er ist freundlich, rechtschaffend und fürsorglich. Suzette ist ein egoistisches, aufmüpfiges junges Ding, dass sich ihrer Taten gar nicht bewusst sein will, Hauptsache sie bekommt ihren Willen.

„Töchter des Aufbruchs“ ist ein wunderbarer Trilogiestart, der mit einer sehr unterhaltsamen Geschichte überzeugt, die nicht nur gut recherchierte Historie, sondern neben dem Pensionatsleben auch mit einiges an Spannung punkten kann. Absolute Leseempfehlung für ein echtes Highlight!