Rezension

Flüchtiges Glück

Flüchtiges Glück -

Flüchtiges Glück
von Ulla Mothes

Bewertet mit 4.5 Sternen

„Flüchtiges Glück“ ist ein wunderbarer Familienroman über drei Generationen. Ulla Mothes erzählt sehr einfühlsam die Geschichte dreier Frauen – Großmutter Agnes, Mutter Jola und Enkeltochter Milla. Dazu bewegen wir uns auf mehreren Zeitebenen bis im Hier und Jetzt in die Gegenwart. Milla ist schwanger und möchte mit ihrem Freund Navid eine Familie gründen, die Hochzeit ist geplant und dazu möchte sie einige offene Fragen in ihrer Familie klären. Zuallererst – wer ist ihr leiblicher Vater und warum schweigt sowohl ihre Mutter, als auch ihre Großmutter. Als immer mehr ungereimte Fragen auftauchen, geht sie der Sache auf dem Grund…

Der Schreibstil hat mir total gut gefallen, er lässt sich leicht und flüssig lesen und man ist immer im Geschehen mittendrin. Die verschiedenen Zeitebenen bereiteten mir keine Probleme, auch die Perspektivenwechsel nicht, so bekommt man von den einzelnen Protagonisten die jeweilige Sichtweise und kann das Handeln der Beteiligten viel besser nachvollziehen. Einen großen Teil der Rückblenden nimmt Agnes und Jolas Vergangenheit ein. Dafür ist Milla sozusagen das Bindeglied zwischen Gegenwart und Vergangenheit.

Ulla Mothes hat tolle Figuren geschaffen, sehr authentisch und facettenreich. Agnes ist in der DDR aufgewachsen, genau wie ihr Mann Franz. Kurz vor der Wende flüchten sie in den Westen und leben fortan an Westberlin. Jola muss mit 13 ihren damaligen Jugendschwarm Raik zurücklassen, seit frühester Kindheit befreundet, Jahre später treffen sie sich wieder im vereinten Berlin, aber ein gemeinsamer Weg bleibt aus. Milla ist eine junge und taffe Frau, die hartnäckig mit der Vergangenheit aufräumen möchte. Dabei stößt sie auf heftigen Widerstand bei ihrer Großmutter Agnes und Mutter Jola, mit dramatischen Folgen. Auch die Nebenfiguren, Toni und Dirk (Millas Ziehväter) sind zwei tolle Protas und natürlich Navid, einst aus Afghanistan geflüchtet, bringt hier mit seinen Handlungen sehr viel Bewegung und zum Teil Unruhe in die Familie hinein. Ich war manchmal nicht ganz einverstanden mit seinen Ansichten, aber am Ende verstand ich ihn und ohne ihn wäre alles im Verborgenen geblieben …

Des Weiteren hat Ulla Mothes das Leben in der DDR richtig gut „dargestellt“, die Lebensweise, die Empfindungen der Menschen, die Umstände, die sie tagtäglich stemmen mussten. Das Setting in Wolfen, die Beschreibungen der ORWO Filmfabriken, das Familienleben, Freundschaften, Zusammenhalt und mittendrin das Agieren der Stasi. Ich bin selbst in der DDR groß geworden und konnte alles absolut nachvollziehen. Viele Erinnerungen kommen beim Lesen hoch und man erfragt vieles neu, was damals selbstverständlich hingenommen wurde.

Insgesamt ist dies ein richtig toller Roman, der mich sehr nachdenklich gemacht hat. Ich bin absolut begeistert und kann ihn uneingeschränkt empfehlen. Dafür vergebe ich fünf Sterne