Rezension

Flüssiger, sprachlich hervorragender, atmosphärisch dichter Roman mit intelligentem Spannungspotential.

Das Flüstern der Stadt - Rosa Ribas, Sabine Hofmann

Das Flüstern der Stadt
von Rosa Ribas Sabine Hofmann

Bewertet mit 5 Sternen

Die Macht der Sprache - Enthüllung eines Verbrechens.

Ana Marti, eine junge, engagierte Journalistin der Tageszeitung "La "Vanguardía" hat lange auf eine solche Chance gewartet, immer darauf gehofft, einen wichtigen Bericht unter eigenem Namen veröffentlichen zu dürfen, was meist nur ihrem etablierten Kollegen Carlos Belda vergönnt war, der - im Moment nicht einsatzfähig - diesmal unfreiwillig zurücktreten muss. So erhält Ana von ihrem Chef Mateo Sanvisens den Auftrag über den Tod Mariona Sobrerrocas zu berichten. Die augenscheinlich Ermordete ist die Ehefrau des vor zwei Jahren verstorbenen Arztes Jerónimo Garmendías und eine der glitzernden Gestalten der Gesellschaft Barcelonas, die nun blond und tot in ihrer prächtigen Villa am Tibidabo liegt. Selbstverständlich ist die Tote ein Begriff für Ana, gab es doch kaum ein Ereignis von Bedeutung, an dem Mariona nicht teilnahm, kaum einen gesellschaftlichen Bericht in der Presse, in dem sie nicht erwähnt wurde und eine strahlende Hauptrolle spielte - und nun wurde sie von ihrem Dienstmädchen Carmen Alonsa ermordet aufgefunden - stranguliert, den schönen Körper von Schlägen gezeichnet.

Nicht nur aus diesem Grund ist der Bericht über den Todesfall etwas Besonderes. Ein Ring von Verschleierung und Heimlichkeit legt sich um diesen Mord, von höherer Stelle scheint man an einer Vertuschung des Verbrechens interessiert zu sein und großen Wert darauf zu legen, das Tatmotiv und die Identität des Täters im Dunkel zu lassen. Hat man deshalb die  "La Vanguardía" für einen Exclusiv-Artikel  gewählt, weil man glaubt, die Berichterstattung hier manipulieren zu können?

Ana braucht Hilfe und wendet sich mit ihren Bedenken an ihre Cousine Beatriz, eine bekannte Philologin, der unter dem Franco-Regime Berufsverbot erteilt wurde. Deren Stärken in Literatur, Schrift - und Sprachenkunde erweisen sich als ungeheuer hilfreich, versteckten Hinweise zu folgen und auf eigene Faust Ermittlungen zu betreiben, die zur Aufklärung verbrecherischer Seilschaften führen könnten. Aber sie hat unbekannte Gegner, die über alles informiert sind, die gewissenlos und ohne Skrupel im Hintergrund agieren und nicht nur die beiden Frauen in tödliche Gefahr bringen.... 

Welcher dieser mächtigen Feinde hat soviel Angst vor Enthüllung, dass er zu kaltblütigen Morden fähig ist? Kommt er vielleicht aus ihren eigenen Reihen?

 

Die beiden Autorinnen Rosa Ribas und Sabine Hofmann haben einen interessanten, spannenden Roman geschrieben, der den Leser in die fünfziger Jahre, in die  Zeiten des Franco-Regimes führt. Aufbauend auf einen spektakulären, undurchsichtigen Mord, der sich in einem der prachtvollen Herrenhäuser Barcelonas ereignet, entwickelt sich die Geschichte zu einem Zeitbild der Epoche mit interessanten Protagonisten. Ein ungewöhnliches Ermittler-Duo in Gestalt der Journalistin Ana und ihrer Cousine, der Philologin Beatriz, verfolgt mit Intuition und Intelligenz ungewöhnliche Spuren zur Entlarvung höchstangesiedelter, verbrecherischer Machenschaften in Barcelonas düsterem Zwielicht einer zweifelhaften Moral.

Faszinierend sind die atmosphärische Dichte und der stetig ansteigende Spannungsbogen des Buches, das die kriminalistischen Aspekte nahezu unterschwellig aber dafür umso nachhaltiger und klug umzusetzen vermag.

Meiner Meinung nach ist dies ein ungewöhnliches, aus dem Rahmen fallendes Buch, das ich mit dem allergrößten Vergnügen gelesen habe - und das nicht nur, weil ich eine Liebhaberin besonderer Kriminalfälle bin.

Das Zusammenwirken beider Autorinnen ist für mich ein literarischer Glücksgriff.