Rezension

Gegen das Vergessen

Zorn der Lämmer -

Zorn der Lämmer
von Daniel Wehnhardt

Bewertet mit 5 Sternen

„...Nach einiger Zeit brach Abba das Schweigen zwischen ihnen. „Was ist mit deinen Eltern?“, fragte er. „Sind sie auch im Getto?“ ...“

 

Vitka Kempner, deren Eltern tot sind, ist vom Getto in Wilna aufgebrochen, um Abba Kovner, den Anführer der Jungen Garde, zurückzuholen. Er ist in einem Kloster untergetaucht. Doch jetzt wird er dringend gebraucht, denn einige Juden in Wilna haben nach der Aussage einer Überlebenden eines Massakers begriffen, dass ihrer aller Leben auf dem Spiel steht. Abba soll den Widerstand organisieren. Er bringt das Problem auf den Punkt:

 

„...Die Deutschen sind organisiert, sie denken systematisch. Womit wir es hier zu tun haben, liebe Freunde, ist eine Maschinerie, und diese Maschinerie dient nur einen Zweck: Das Judentum in Gänze zu vernichten...“

 

Der Autor hat einen fesselnden und exakt recherchierten historischen Roman geschrieben. Ein großer Teil der Handlung beruht auf tatsächlichen Geschehnissen.

Der Schriftstil passt sich den Gegebenheiten an. Und die sind heftig. Das Buch wird sehr konkret, wenn es um Verbrechen gegen die Menschlichkeit geht. Neben dem durchgehenden Handlungsstrang werden immer wieder kleine Episoden eingeflochten, die ein Schlaglicht auf das Geschehen liefern.

Im ersten Teil steht das Getto in Wilna im Mittelpunkt. Im Prinzip kann man drei Gruppen von Bewohnern unterscheiden. Eine davon lässt passiv das Geschehen an sich abgleiten, eine zweite organisiert sich im Widerstand und daneben gibt es Juden, die mit den Besatzern Hand in Hand arbeiten. Sie hoffen, dadurch etwas für ihre Leute tun zu können und ahnen nicht, wie perfide sie benutzt werden.

Im nächsten Teil geht es um den Partisanenkampf, in dem sich die Überlebenden von Wilna engagieren. Bitter ist es, dass auch hier anfangs die Nationalität eine Rolle spielte und man eher gegeneinander als miteinander arbeitet. Die litauischen Bauern stellen sich aus Angst vor den deutschen Repressalien auf die Seite der Besatzer. Das macht es den kämpfenden Truppen zusätzlich schwierig. Dann aber kommt es zur Einigung einiger Partisaneneinheiten.

Nach dem Krieg trennen sich die Wege. Während Rutka nach Palästina geht, begeben sich Abba und Vitka zuerst nach Lublin, später nach Deutschland. Sie organisieren die Flucht der Juden aus Europa.

Währenddessen rückt ein eigener jüdischer Staat immer mehr in den Fokus. Abba aber will Rache. Er gründet eine Vereinigung, die nicht nur die Kriegsverbrecher bestrafen, sondern alle Deutschen mit einem Attentat treffen soll.

 

„...Dieses Deutschland wird bezahlen! Bezahlen für alles, was es unserem Volk angetan hat. Wir werden es sein, die für Gerechtigkeit sorgen! Wir werden es selbst tun...“

 

Damit aber würden Opfer zu Tätern und ein jüdischer Staat verhindert.

Zu den inhaltlichen und sprachlichen Höhepunkten des Buches gehört für mich das Gespräch von Rutka mit Weizmann. Sie erklärt ihm:

 

„...Wir wussten nicht, ob dieser Schrecken jemals ein Ende nehmen würde. Unter diesen Umständen lebt man von einem Tag auf den nächsten. Von Stunde zu Stunde, wenn Sie so wollen...“

 

Über die Judenverfolgung mit all ihren Spielarten hatte ich schon viel gelesen. Was mir aber das Buch klargemacht hat, war die Tatsache, dass auch nach dem Ende des Krieges ein Leben in Europa für viele Juden keine Option war. Es kam zu einer erneuten Massenflucht Richtung Palästina. Und die war von den Besatzungsmächten, speziell den Briten, keinesfalls gewollt.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen, auch wenn es echt schwere Kost ist.