Rezension

Gossip Girl in der Buchbranche.

Yellowface -

Yellowface
von Rebecca F. Kuang

Bewertet mit 5 Sternen

Holla die Waldfee, war das eine wilde Achterbahnfahrt der Gefühle! RF Kuang gelingt mit diesem Roman eine bitterböse und gleichzeitig unglaublich unterhaltsame Abrechnung mit brandaktuellen Skandalen und Themen aus Social Media, Bookstagram und dem Verlagswesen - glaubt mir, hier kommt nichts und niemand ungeschoren davon.

Im Mittelpunkt stehen Athena und June. Ok, eigentlich June, denn sie erzählt uns ihre Geschichte mit und um Athena. Die eine ein gefeiertes Hype-Sternchen am Literaturhimmel, die andere ein literarisches Mauerblümchen. Während Athena kräftig abräumt, einen Bestseller nach dem anderen schreibt und einen Netflix-Deal abschließt, steht June neidisch und unbeachtet in ihrem Schatten. Die beiden verbindet eine seltsame Zweck-Freundschaft-Hass-Besessenheit. Sind sie wirklich Freundinnen? Feindinnen? "Freindinnen"? Als Athena vor Junes Augen auf absurde Weise stirbt, lässt diese im Affekt Athenas neuestes Manuskript mitgehen. Niemand hat es bisher zu Gesicht bekommen oder gelesen... Und das verführt June zu einem perfiden Spiel mit dem Feuer.

Der Beginn ist eine Steilvorlage: Unfall - Diebstahl - kurzer Schock und Zack, sitzt June an Athenas Manuskript und überarbeitet es für ihre Zwecke. Show must go on, oder so. Mir jedenfalls ist ein wenig schwindlig geworden. Das Buch entwickelt einen richtigen Lesesog, der Stil ist eingängig und die Handlung passiert Schlag auf Schlag.

Mit June bekommen wir eine absolut unzuverlässige und sehr ambivalente Erzählerin. Man kann sie nicht gern haben, man kann ihr nicht glauben und fiebert dennoch mit. Sie verhält sich mal naiv und völlig selbstvergessen, dann wieder egoistisch und abgebrüht as hell. Die Leserschaft verklärt die Buchbranche gerne, glaube ich. Hier erleben wir, was hinter den Kulissen passiert: Konkurrenzkampf, Schnelllebigkeit, Wahllosigkeit, immenser Druck und Intrigen, Intrigen, Intrigen. Ein bisschen wie "Gossip Girl" in der Buchszene.

Kuang greift mit Yellowface wirklich einige brandaktuelle Themen auf: Kulturelle Aneignung in der Buchbranche (Wer hat das Recht über bestimmte Themen zu schreiben? Darf eine weiße Autorin aus dem Leid anderer Kulturen Profit schlagen?), Diversität als bloße Quote, Alltagsrassismus, Cancel Culture und Shitstorms/Hate Speech in den sozialen Medien. Über all dem schwebt subtil die Frage nach Ethik und Moral. Die Autorin schafft es, ihre Leser*innen komplett durchzuschütteln. Sowohl moralisch, als auch gefühlsmäßig. Am Ende weiß man nicht, wohin der moralische Kompass zeigt, weil sich "Norden" so oft verschiebt... Eine explosive Mischung mit einem folgerichtigen Ende. Hier ist der Hype berechtigt. Große Leseempfehlung!